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Rotte rollt – von Tom Rottenberg
So | 29. Sep 2024

Einfach behaupten - und alles geht. Denn eine Million „Ich bin ein Fahrrad“-Mopeds können nicht irren. Also her mit dem „Ich bin die Rettung“-Shirt - mit der Unterzeile: „Tatütata“ 

Demnächst ist ein ernstes Gespräch fällig. Weil die Leute von der VELETAGE sich konsequent quer legen, wenn es um eine Geschäftsidee geht, mit der sich schnell sehr viel verdienen lassen würde. Außerdem könnte man mit ihr so gut wie alle Probleme lösen, mit denen sich Radfahrerinnen und Radfahrer im städtischen Alltag herumschlagen müssen.

Die Idee ist simpel. Liegt im Grunde auf der Hand. Ihre Umsetzung würde wenig kosten. Und wäre - solange man der erste am Markt ist - ein sicherer Umsatzbringer. Obwohl, da bin ich sicher, sehr rasch sehr viele auf den fahrenden Zug aufspringen würden – sei es als Kopisten oder mit eigenen Ideen. Eigenen Sprüchen. Eigenen Spruch-Shirts - oder -Taferln.

Was da drauf stehen soll? „Ich bin ein SUV“ etwa. Oder „Ich bin ein Sportwagen/Pickup/Sattelschlepper.“ Eventuell auch „Ich bin eine Ducati“ (oder irgend ein anderes Motorrad). Oder gleich mit ganzheitlichem Ansatz: „Ich bin die Rettung“. Weil: Dann darf man nämlich wirklich alles. Jeder und jede, wirklich alle, versteht das - und macht bereitwillig Platz: Der Gedanke, dass die Rettung zu spät kommt, wenn einmal die eigene Mutter oder das eigene Kind … und so weiter.

Worum es geht? Ganz einfach: Im mobilen Alltag sind Fahrräder, die ganz eindeutig keine sind, omnipräsent: Sie haben keine Pedale. Sie sind deutlich breiter und schwerer und fast immer schneller als Fahrräder. Aber dennoch am Radwegen unterwegs. Warum? Weil sie hinten eine Tafel haben: „Ich bin ein Fahrrad.“ Gern mit dem Zusatz, dass dieses „Fahrrad“ maximal 25 km/h schafft. Nur: Wenn mich so ein Ding ganz locker „putzt“, wenn ich am Rennrad (dort wo das safe ist) - laut Radcomputer - schneller unterwegs bin, ist es oft zu rasch weg, um das auch noch zu lesen.

Doch um den verletzten Stolz des Überholten geht es hier nicht. Ich denke lieber positiv. Lösungorientiert: „Ich bin ein Fahrrad“-Nichtfahrräder zeigen nämlich, wie man sich als Radfahrer:in gegen diverse Rad-Fahrverbote immunisieren kann: Durch die schlichte und einfache  Behauptung, jemand - respektive: etwas - Anderes zu sein.

Ein SUV zum Beispiel. Oder ein Sportwagen: Shirt an (oder ein kaum lesbares Schild irgendwo montiert) – und schon entfallen Radwegbenutzungspflicht, polizeiliche Speichenreflektor-Zählerei oder Kreuzugsannäherungsgeschwindigkeits-Schikanen. Ich darf ab sofort auch auf Autostraßen und Autobahnen: Ich bin jetzt ja schließlich ein Auto. Noch schlauer: „Ich bin ein Motorrad.“ Dann darf ich mich nämlich weiterhin - wie dereinst als Fahrrad - an stehenden Kolonnen vorbei schlängeln. Geil!

Aber Hoppla: Dort, wo mich ein Radweg sicher und schnell am Stau vorbei bringt, darf ich jetzt nicht mehr fahren. In manchen Ecken der Stadt ist das mittlerweile ja echt blöd. Bin ich also vielleicht doch lieber ein Fahrrad? Schwierig.

Nein gar nicht: Ich brauche nur ein Schild mit „Ich bin die Rettung“. Zusatztext „tatütata“. Dann geht alles. Wirklich alles. Auch Gehsteig, Fußgängerzone oder Parkanlage. Und auch wenn jeder sieht und weiß, dass ich - respektive mein fahrender Untersatz - nicht die Rettung bin, sondern auf einem klapprigen, rostigen und ganz offensichtlich miserabel gewarteten Uralt-Klapprad daherkomme, das ich weder sicher noch verantwortungsbewußt zu fahren im Stande oder gewillt bin: Ich komme damit durch. Ich muss es einfach nur behaupten.

Aber dafür brauche ich eben die Leute von der VELETAGE: Sie sollen „Ich bin …“-Shirts drucken - oder bei ihren Premium-Lieferanten in Auftrag geben. Und schon wäre die Fahrradwelt wieder ein bisserl schöner.

Tom Rottenberg – Rotte – rennt und rollt, wenn er nicht als freier Journalist und PR-Berater arbeitet und sich Gedanken übers Rennen und Rollen, sprich Radfahren, macht.

Zu Gast im Salon – von Moritz Stefan
Do | 12. Sep 2024

Im heurigen Sommer sind Rekorde nur so gepurzelt. In vielen Bereichen des Ausdauersports. Auffahrtsrekorde bei Tour de France Anstiegen haben für Verwunderung (und Vorverurteilungen) gesorgt. Bei den Olympischen Spielen und danach wurden in den Laufdisziplinen teilweise Uraltrekorde gebrochen. Gibt es ein Geheimrezept dafür? Vielleicht! Man nehme: Technische Innovationen, fortschrittliches Training und - Backpulver. Genauer: Maurten BiCarb. Was es damit wirklich auf sich hat, haben wir Ben Vriends, Nutritional Education Officer bei Maurten, gefragt. Das Interview führte Moritz Stefan, als im Nachwuchs erfolgreicher Mittel- und Langstreckenläufer mit BiCarb seit einiger Zeit bestens vertraut.

Moritz: Ben, du bist Ernährungsexperte bei Maurten. Was kann man sich darunter vorstellen?

Ben: Ja, also ich arbeite im Team für Ernährung und sportliche Leistung bei Maurten. In erster Linie beschäftigen wir uns mit den neuesten wissenschaftlichen Theorien, um immer am aktuellen Stand der Forschung zu sein. Wir bilden uns sowohl im Bereich Ernährung als auch im Bereich Sportwissenschaft ständig fort. Darüber hinaus führen wir aber auch unsere eigenen Tests und Untersuchungen durch, und arbeiten eng mit Profisportlern zusammen. Deshalb sind wir oftmals die ersten, die neue wissenschaftliche Theorien in der Praxis anwenden. Das Maurten Bicarb System ist ein Resultat davon.

M: Du sprichst es schon an, das Bicarb System. Die ganze Ausdauersportszene spricht gerade über diese ominöse Wunderwaffe. Was macht Bicarbonat überhaupt?

B: Ich werde versuchen, mich kurz zu halten. Also grundsätzlich haben wir Menschen einen Bicarbonat-Puffer, dieser befindet sich im Blutsystem. Er dient dazu, den Säure-Basen-Haushalt zu regulieren. Wenn also Menschen in eine Übersäuerung geraten, kann dieser Puffer dafür sorgen, dass der pH-Wert des Blutes wieder normal wird. Das passiert bei intensivem Sport, wenn wir Milchsäure produzieren. Diese wird in zwei Bestandteile aufgespalten. Das eine ist Laktat und das andere sind Wasserstoff-Ionen. Das Laktat dient dem Körper als Energiequelle. Das Problem aus sportlicher Sicht sind die Wasserstoff-Ionen, denn sie sind hauptsächlich dafür verantwortlich, dass die Muskeln ermüden. Sie haben eine Signalfunktion für das Gehirn und zeigen an, dass wir am Ende unserer Leistungsfähigkeit sind.
Die natürliche Puffer-Kapazität des Blutes lässt sich durch die Einnahme von Bicarb erhöhen, sodass wir eine höhere Konzentration von Wasserstoff-Ionen tolerieren können. Dadurch sind intensivere Belastungen möglich.

M: Die Idee, vor intensiver körperlicher Belastung Bicarbonat, also quasi klassisches Backpulver, zu konsumieren, gibt es schon lange. Was genau ist jetzt die Besonderheit?

B: Das Natriumbicarbonat, die Kernzutat unseres Bicarb-Systems, findet man tatsächlich auch in herkömmlichem Backpulver. Allerdings ist es keine gute Idee, reines Backpulver zu sich zu nehmen, denn landet das Backpulver im Magen, entsteht eine chemische Reaktion, bei der Wasser und CO2 freigesetzt werden. Das führt entweder zu dem akuten Bedürfnis, die Toilette aufzusuchen, oder zu erbrechen.

M: Und was ist bei eurem Produkt anders? Wie könnt ihr diese Nebenwirkungen verhindern?

B: Wir versuchen, den Kontakt zwischen der Magenflüssigkeit und dem Natriumbicarbonat zu vermeiden. Deshalb haben wir das Natriumbicarbonat in Minitabletten gepresst. Es handelt sich also nicht um ein Pulver, sondern um ungefähr 800 bis 1200 Minitabletten, je nach Dosis. Und dann ist es zusätzlich noch von einem Gel umhüllt. So kommt die Magensäure nicht mit den Tabletten in Berührung. Das ist die eigentliche Innovation.

M: Also ein ähnliches Konzept, wie bei den Maurten Energy-Gels?

B: Es ist ein anderes Gel, aber ja, der Effekt ist der gleiche. Es dient als Transportsystem für die wesentlichen Inhaltsstoffe.

M: Kommen wir von der Theorie zur Praxis. Viele Profiläufer, vor allem im Mittelstreckenbereich, setzen bereits auf das Maurten Bicarb System. Die meisten unserer Kunden sind aber Radfahrer. Daher meine Frage: Ist Maurten Bicarb auch im Radsport vertreten?

B: Das ist eine gute Frage. Um ehrlich zu sein, wurde das Produkt ursprünglich speziell für Radfahrer entwickelt. Wir haben dafür eng mit dem Profi-Radteam Jumbo-Visma zusammengearbeitet und verschiedene Prototypen mit ihnen ausprobiert. Tatsächlich wird es im professionellen Radsport schon viel länger eingesetzt als in der Leichtathletik.

M: Damit hätte ich nicht gerechnet. Nun dauern aber die Events der Bahnleichtathletik maximal 30 Minuten, eine Tour-de-France Etappe aber bis zu 5 Stunden. Muss das Bicarb System da nicht völlig anders eingesetzt werden?

B: Nein, nicht wirklich, um ehrlich zu sein. Nach der Einnahme des Bicarb Systems kommt es zu einem Anstieg des Bicarbonats im Blut. Und die Konzentration des Blut-Bicarbonats bleibt in einem Zeitfenster von sechs bis acht Stunden erhöht. Die Fahrer nehmen es also einfach vor der Etappe ein, und die Pufferkapazität wird während der gesamten Dauer erhöht sein. Das ist im Übrigen ein wesentlicher Unterschied zu Kohlenhydraten, denn wenn wir Kohlenhydrate konsumieren, verbrauchen wir sie, verbrennen sie, und dann sind sie weg. Aber der Bicarbonat-Puffer im Blut ist in der Lage, sich nach einer gewissen Zeit geringerer Intensität wieder zu erholen. Viele Radsportler müssen während einer Etappe mehrmals attackieren, um Punkte für die Punktewertungen zu sammeln. Wenn sie danach mit geringerer Intensität weiterfahren, geht der Bicarbonat-Puffer wieder auf sein erhöhtes Ausgangsniveau zurück. Sie können diesen Effekt also während einer Etappe gleich mehrmals ausnützen.

M: Das macht definitiv Sinn! Wie schaut es denn bei Triathleten aus, gerade auf der Langdistanz?

B: Das ist eine gute Frage. Die Sportwissenschaft hat sehr viel Aufmerksamkeit auf Wettkämpfe mit einer Dauer von bis zu zehn Minuten gerichtet und nicht so sehr auf die Langdistanzen. Wir haben allerdings in Studien gesehen, dass Bicarbonat die Schmerzwahrnehmung und die wahrgenommene Anstrengung während des Wettkampfs reduzieren kann. Wir haben bereits positive Erfahrungsberichte von Triathleten erhalten, aber das sind nur Rückmeldungen und Anekdoten.(Überlegt) Ich weiß nicht, ob das deine Frage über Triathleten beantwortet, aber es gibt eine ganz neue Studie, die vor zwei Wochen herauskam. Untersucht wurde der Einfluss von Bicarbonat auf die Leistung bei einem 40-km-Zeitfahren. Ich kann mich nicht mehr an den genauen Leistungsunterschied erinnern, aber er war ziemlich signifikant. Wir sprechen hier von einer Verbesserung von mehreren Sekunden, bei einer ziemlich großen Zahl von Probanden.

M: Das finde ich äußerst spannend, dass auch bei einer Leistung unterhalb der Aerob/Anaeroben Schwelle Effekte festgestellt werden konnten. Lässt sich auch schon abschätzen, wie groß die Leistungsgewinne durch den Einsatz von Maurten Bicarb sind?

B: Das ist schwer zu sagen. Ich meine, bei verschiedenen Personen sieht man natürlich unterschiedliche Zahlen. Es ist also schwer, eine einzelne Zahl zu nennen, aber wir sprechen meist von einem Anstieg von um die 1 Prozent. Das klingt erstmal wenig, allerdings haben wir das Produkt auch für den Einsatz im absoluten Profisport entwickelt. Und dort ist ein zusätzliches Prozent an Leistung eine enorme Steigerung!

M: Das ist nachvollziehbar. Die Zielgruppe sind also primär Sportler mit Wettkampfambitionen. Worauf sollte man darüber hinaus achten? Gibt es irgendwelche unerwünschten Nebeneffekte

B: Der Geschmack und die Konsistenz des Produkts sind definitiv gewöhnungsbedürftig und nicht etwas für jedermann. Es gibt Leute, die das Gefühl nicht mögen, etwas zu schlucken, ohne es zu zerkauen. Das ist das eine. Und dann kann Backpulver, wie ich schon sagte, Magen-Darm-Probleme auslösen. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist durch die Hydrogel-Technologie stark reduziert, aber nicht bei null. Die Nebenwirkungen sollten aber, wenn überhaupt, sehr gering ausfallen.

M: Es gibt auch andere Bicarb-Produkte am Markt, in Form von Pulvern oder Tabletten. Wie schneiden diese im Vergleich ab?

B: Es gibt bereits eine Studie, die die Einnahme als Pulver und als Kapseln mit dem Maurten Bicarb System vergleicht. Und ich weiß, es ist nur eine einzige Studie, aber dort zeigte sich deutlich, dass die negativen Auswirkungen auf den Körper mit dem Maurten Bicarb-System im Vergleich zu den anderen Methoden minimal waren.

M: Dafür sind viele andere Produkte aber auch etwas günstiger…

B: Das ist in einigen Fällen sicher richtig. Wenn wir über den Preis sprechen, muss man auch bedenken, dass der Produktionsprozess des Bicarb Systems sehr aufwendig ist, und das schlägt sich in den Kosten nieder. Jede dieser Minitabletten wird in der Herstellung mit einer dünnen Beschichtung überzogen, und dann kommt noch das Hydrogel dazu, das diese Tabletten schützt. Und wenn du Bicarb bei deinem wichtigsten Wettkampf des Jahres verwenden willst, für den du monatelang trainiert hast, dann wäre es ein unnötiges Risiko, sich für eine billigere und invasivere Methode zu entscheiden. Am Ende ist es aber natürlich eine Abwägungsfrage und eine individuelle Entscheidung.

Neu im Salon – von Kurt Stefan
Do | 22. Aug 2024

Leica und Barco haben viel gemeinsam. Beide verbindet eine lange Tradition exzellenter Qualität, hohe Handwerkskunst und klassisches Design. Verbunden mit innovativen Lösungen auf der Suche nach dem perfekten Produkt. Deswegen haben wir das neue Marconi RW7 in der Leica-Akademie in Wien fotografiert. Natürlich mit einer Leica-Kamera.

Das Marconi RW7, ein reinrassiges Straßenrennrad, basiert auf einem hochmodernen Stahlrahmen, von Hand gebaut bei Barco in Norditalien. Fatto a mano in famiglia.

Stahl ist leicht, wenn man Spirit HSS Rohrsätze von Columbus verbaut, Stahl ist widerstandsfähig, wenn alle Kontaktpunkte aus Edelstahl sind, Stahl ist hochmodern, wenn alle Kabel dank der Carbonteile der Serie Trittico von Columbus innen liegen. Und Stahl ist schön schnell, wenn wir von der VELETAGE uns bei Geometrie und Design einbringen dürfen.

Die verwendete Leica SL3 ist klassisch, weil sie im Design in direkter Linie von den analogen Klassikern abstammt. Sie ist hochmodern, weil sie auf innovativer spiegelloser Technik beruht.

Und in den Händen eines versierten Fotografen macht sie unglaubliche Fotos. Genug der Worte ...

Rahmensatz: aus Columbus Spirit HSS mit allen Kontaktpunkten (Aufnahme Flaschenhalter, Bremssattel, Ausfallenden, Tretlager) aus Edelstahl, interne Kabelführung, Gewicht: 1.700g (M), Tretlager: T47, max. Reifendimension : 700c x 32

Gabel: Columbus Futura Trefoil (350g ungekürzt)

Cockpit und Sattelstütze: Columbus Trittico

Lenkerband: Ciclovation 2D Carbon

Gruppe: Rival AXS 2x12, Disc 160mm, Kettenblätter 48|35, Kassette 10-36

Laufräder: ZIPP 303S mit Vittoria N.EXT-Reifen

Zu Gast im Salon – von Tom Rottenberg
Fr | 19. Jul 2024

Gianluca Barcos Großvater begann 1947 Fahrradrahmen zu schweißen. Stahl war damals State-of-the-Art – und die großen, berühmten Marken orderten über Jahrzehnte hinweg Rahmen bei Barco. Den Namen kannten und kennen dennoch nur Insider. Jetzt stellen sie gemeinsam mit uns unter der eigenen Marke Cicli Barco moderne Stahlrahmen für Straße und Gravel her. Warum und wie erklärte Gianluca (am Foto unten links, zusammen mit Andrea Molin, Marketing+Sales) ZU GAST IM SALON Tom Rottenberg Ende Juni.

Tom Rottenberg: Gianluca Barco, dein Familienname ist der Name deiner Marke, und diese Marke hat eine lange Tradition - aber du bist noch recht jung. Ich nehme an, du bist nicht der Gründer von "Cicli Barco".

Gianluca Barco: Nein, natürlich nicht. Ich bin der Sohn von Alberto Barco und mein Vater ist der Hauptschweißer von "Cicli Barco". Dann gibt es noch meinen Onkel Mauricio, Fabiola, die Lebebsgefährtin meines Vaters, und Andrea - der fast ein Familienmitglied ist. Aber alles begann mit meinem Großvater Mario im Jahr 1947. Er begann mit der Herstellung von Fahrradrahmen. Das ist es, was die Familie seither macht: Stahlrahmen. Basta.

Tom: So lange schon?

Gianluca: Ja, Wir haben in Lohnfertigung Rahmen für einige der besten und bekanntesten Unternehmen der Branche hergestellt. Jahrzehnte lang. Aber dann fanden mehr und mehr Leute heraus, dass wir den Rahmen ihres Fahrrads gefertigt haben. Und wollten ein echtes Barco. Wir sahen das Potenzial und begannen, auch unter der eigenen Marke zu fertigen.
Wir haben ganz klein angefangen. Aber jetzt standen wir vor der Wahl: Weiter als Auftragnehmer für andere Unternehmen. Das ist ganz einfach. Du nimmst Aufträge an, erledigst deine Arbeit und gehst nach Hause. Oder mit deiner eigenen Marke, mit deinem Namen. Mit voller Verantwortung über den ganzen Prozess.
So beschlossen wir, Fahrräder unter dem Namen "Cicli Barco" zu entwickeln. Die Aufgabe bestand nicht nur darin, die besten und schönsten Rahmen herzustellen, sondern auch, Marketing und Vertrieb rundherum zu organisieren.

T: Wie hier mit VELETAGE?

G: Ja. Das ist wirklich eine der besten Gelegenheiten: Wir bringen und präsentieren unser Wissen, unsere Handwerkskunst - und jeder kann wirklich erleben, was wir tun, denn dies ist mehr eine Boutique als ein typischer Fahrradladen: Hier fühlt man, was wir fühlen, wenn wir über Fahrräder sprechen. Hier legt man Wert auf jedes Detail: Sie behandeln jedes Fahrrad, jeden Rahmen, als wäre es ein Juwel. Und für uns ist es das.

T: Ich will ja nicht unhöflich klingen, aber: Wenn ich in einen Fahrradladen gehe und nach einem aktuellen Rennrad frage, zeigen sie mir Carbonräder. Stahl ist das, was unsere Väter und Großväter gefahren sind. Das, was die Leute bei Oldtimer-Rennen wie der "Eroica" fahren. Also: Verkaufst du überholtes Material und veraltete Technologie?

G: Nein, natürlich nicht! Natürlich gibt es diese große Tradition von Stahlrahmen. Aber Stahl ist nicht nur Vintage. Ja, unsere Rahmen sind aus Stahl gefertigt. Aber Konzept und Geometrie sind hochaktuell. Natürlich führen wir alle Kabel innen, auch mit integrierten Cockpits. Stack & Reach der Geometrie sind ident mit denen von Aero-, Allroad- oder Gravel-Bikes aus Carbon, und auch die maximale Reifenbreite. Bei Gabel, Sattelstütze und Cockpit verwenden wir fast ausschließlich Carbon.
Aber ein Stahlrahmen hat viele Eigenschaften und Vorteile, die man selbst mit den besten Carbonrahmen nicht erreichen kann.
Stahl ist einfach angenehmer zu fahren. Er hat eine andere Steifigkeit und reagiert auf die Straße und die Bewegungen des Fahrers sanfter. Es ist … (er überlegt mit geschlossenen Augen) … harmonischer.
Das spürst du, wenn du ihn fährst.

T: Aber Stahl ist schwerer als Carbon!

G: Stimmt! (Lacht) 500 Gramm sind wirklich eine Menge - wenn du ein Profi bei der Tour de France bist ... Aber für alle anderen?
Wir bei Barco schauen nicht nur auf den Gewichtsunterschied - wir konzentrieren uns darauf, was dieses andere Material uns bietet. Es ist nicht einfach ein weiterer Carbonrahmen, der 350 Gramm schwerer ist - sondern etwas ganz anderes: Ein Stahlrahmen - die perfekte Mischung aus Komfort und Leistung.

T: Aber wer ist eure Zielgruppe?

G: Jeder, der das Radfahren wirklich genießen will. Natürlich fahren sie schnell, oder eher schön schnell (lacht in die Runde) - aber dann wollen sie vom Rad steigen und sagen: "Ich freue mich schon auf morgen, wenn ich wieder damit fahre". Das ist das Feedback, das wir bekommen. Viele fahren schon ein Rennrad oder Gravel-Bike aus Carbon und sagen: "Ich will einen Stahlrahmen, weil ich neugierig bin." Aber sobald sie das Barco haben, sagen sie: "Ich habe ein Problem: Ich fahr nur mehr mit dem Barco!" Warum? Weil es so viel komfortabler, lohnender, fehlerverzeihender und zuverlässiger ist als die andere.  Ausgestattet mit allen Vorteilen moderner Komponenten und heutiger Fahrradtechnologien: Das ist das perfekte Fahrrad.

T: (mit breitem Grinser): Barco bremst also den Konsum?

G: (Lacht) Vielleicht. Wir sind sicher nicht Teil dieser Big Industry, die immer mehr und mehr verkaufen will. Wir sind ein Unternehmen mit fünf bis sechs Mitarbeitern - wir machen alles mit unseren eigenen Händen. Unsere Fahrräder sind wirklich Made in Italy. Wir schweißen vielleicht 200 Rahmen pro Jahr - und von diesen 200 sind einige noch Auftragsarbeiten für andere Marken.
Unser Ziel ist es, perfekte Fahrräder zu bauen – aus Stahl.

T: Eines muss ich zugeben: Bis vor ein paar Wochen hatte ich noch nie ein Barco-Bike gesehen ...

G: ... (unterbricht) Falsch: Du hast es sehr wohl gesehen - aber der Name stand nicht darauf.

T: Guter Punkt. Aber wenn du nur 200 Rahmen pro Jahr herstellst, ist es noch ein langer Weg, bis dich jeder kennt.

G: Wollen wir das? Nein. Wir sind happy, wenn uns die Insider kennen.

T: OK, du hast mich überzeugt. Aber wie lange muss ich dann warten, bis ich mein ganz persönliches, sehr modernes Stahlrad bekomme?

G: Bei unserer RW7-Serie mit Standardgeometrie liegen zwischen deiner Bestellung und deiner ersten Fahrt zwei Monate. Oder ein bisschen mehr (mit Augenzwinckern).
Wenn du eine besondere Lackierung möchtest, brauchen wir etwas mehr Zeit – drei bis vier Monate. Bei einem komplett maßgeschneiderten Rahmen reden wir von acht oder neun Monaten.
Aber selbst die RW7-Serie ist nicht von der Stange. VELETAGE wollte zum Beispiel das Logo dezent am Rahmen. Wir haben es nicht einfach lackiert, sondern ein spezielles Edelstahl-Emblem entworfen. Sieht einfach aus, aber da sind diese feinen Streifen. Wir müssen um das Logo herum schweißen und es nach dem Lackieren polieren, damit du den Unterschied wirklich spürst. Du fragst vielleicht: "Warum klebt ihr nicht einfach einen Aufkleber auf das Fahrrad?" - Wir wollen einen Unterschied machen!

T: Und wohin geht der Weg für Cicli Barco?

G: Eine gute Frage. Wir sprechen viel darüber. Wir haben die alten Jungs, die Tradition, meinen Vater, meinen Onkel. Sie können fast alles schweißen. Wir schätzen ihre Fähigkeiten, ihren Perfektionismus und ihr Wissen sehr - aber wir sehen auch die Zukunft. Das ist harte Arbeit: Stahlfahrräder machen vielleicht ein Prozent des Marktes aus, also denken die Komponentenhersteller nicht darüber nach, wie ihre Teile in einen Stahlrahmen eingebaut werden können.
Wir müssen uns also immer wieder anpassen und neue Wege finden, unsere Mittel und Fähigkeiten zu perfektionieren, um all die modernen Technologien und Dinge, die man in und an den besten State-of-the-Art-Rennrädern der Welt findet, in das schönste und gefühlvollste Ding zu integrieren, das ein Fahrrad haben kann: Einem Rahmen aus Stahl.

PS: Auch wenn wir in unserem Web-Shop aktuell nur das Modell für die Straße zeigen, es gibt auch schon eine Gravelvariante. Details dazu gerne per e-mail.

N+1 – von Kurt Stefan
Do | 02. Mai 2024

Dieser VONHAND Aufbau ist die Quintessenz dessen, was wir unter Individualisierung eines Rennrads verstehen: Komponenten kleiner Marken so zusammen zu fügen, dass sie ein Fahrrad ergeben, das sowohl ästhetisch als auch technisch einen Unterschied macht.

Der Rahmen ONE Disc kommt von FESTKA aus Prag. Die Rahmen werden in einem unscheinbaren Hinterhof im Stadtteil Vinohrady gebaut. Im Design setzt die Marke seit ihrer Gründung 2010 dank ihres Creative Directors Tom Hnida bench marks, in Far East geniest die Marke Kultstatus. Und geführt wird sie nach wie vor von ihren Gründern Ondřej Novotný und Michael Moureček.

Das Cockpit, die Sattelstütze und die Felgen kommen von ENVE. Einem Unternehmen, das in Odgen, Utah in den USA beheimatet ist und tatsächlich auch dort produziert. Nicht alle Komponenten, aber vor allem die von Simon Smart, dem Aerodynamik-Guru designten Felgen. Bei denen die Speichenlöcher nicht im Nachhinein gebohrt werden, sondern von Vornherein in der Form vorgesehen sind. Damit werden kein Carbon-Fasern verletzt und die Felgen sind stabiler. Die ENVE-Reifen werden von Tufo in Tschechien hergestellt. Dieser Tage wurde das Unternehmen von einem privaten Investor aus Utah übernommen, nachdem es die letzten Jahre zur Amer Group gehört hat. Less corporate, meinen wir.

Die Naben kommen von Carbon-Ti in Italien, Kurbel und Powermeter von Rotor in Spanien. Und ja, werden auch in Spanien produziert. Der Schaltkäfig ist von CeramicSpeed in Dänemark – das Unternehmen befindet sich in Privatbesitz und wird vom Gründer Jacob Csizmadia als CEO geführt. Der Sattel ist von gebioMized, einem kleinen deutschen Unternehmen, das eigentlich Tools und Software für Bike Fitting entwickelt.

All das zusammen ergibt ein Produkt, das es genauso wahrscheinlich nur einmal auf der Welt gibt. Gelebte Individualität.

Rahmensatz: Festka One Spirit Sage mit 12x142mm Steckachse, Interne Kabelführung für alle elektrische Schaltungen, max. Reifenbreite 30mm, 997g

Gabel: Columbus Futura Disc für 12x100mm Steckachse

Cockpit: ENVE Vorbau und AR Lenker

Sattel: gebioMized Sleak Cut-Out

Gruppe: Shimano Ultegra Di2 mit CeramicSpeed OSPW, beschichtet

Tretlager: Rotor

Kurbel: Rotor Aldhu Carbon mit INSpider Powemeter

Laufräder: ENVE SES 4.5 mit Carbon-Ti Naben

Zu Gast im Salon – von Tom Rottenberg
Mo | 08. Apr 2024

Was kann ein Fahrrad nach Maß? Warum setzt man auf eine so kleine Nische in einem ohnehin kleinen Markt? Wie entsteht ein Carbon-Rahmen nach Maß? Und wie lange dauert es? Warum kennen so wenige Menschen Sarto Bikes? Was ist der Grund, dass keine Pro-Tour Profis mit Bikes aus dem Hause Sarto Rennen gewinnen? Das und mehr hat Tom Rottenberg Enrico Sarto gefragt.

Photo: Forstus

Tom Rottenberg: Enrico, der Zusammenhang zwischen dir und Fahrrädern nach Maß liegt auf der Hand: "Sarto" bedeutet im Italienischen "Schneider" - und in deinem Unternehmen in der Nähe von Venedig "schneidert" ihr tatsächlich Fahrräder? Was ist die Geschichte dahinter?

Enrico Sarto: Das Unternehmen wurde von meinem Vater gegründet, der jetzt 93 Jahre alt ist. Er kommt immer noch jeden Tag zu Besuch - er wohnt zwei Kilometer von der Fabrik entfernt. 
Mein Vater begann nach dem Zweiten Krieg zusammen mit seinen beiden Brüdern mit der Herstellung von Fahrrädern. Sie arbeiteten zunächst für größere Marken, aber in den späten 50er Jahren beschlossen sie, ihre eigene Produktion zu starten.

T: Und wann kamst du dazu?

E: Ich bin in den 90er ins Business hineingewachsen. Ich habe in der Wohnung über dem Büro gewohnt, im Sommer dort geholfen... Ich war auch als Kind dort - ich kann wohl sagen, dass ich inmitten von Fahrrädern aufgewachsen bin. Als mein Vater mich fragte, ob ich das Geschäft weiterführen wolle, habe ich natürlich ja gesagt. Aber ich beschloss, das Geschäftsmodell zu verändern: Ich wollte Rahmen nach Maß machen. Zunächst aus Aluminium und Stahl, ab den späten 1990er Jahren begannen wir mit Carbon zu experimentieren.

T: Wann war dann der erste Carbon-Rahmen fertig? Erinnerst du dich noch?

E: Es war im Oktober 2002! Zeitgleich wurde meine Tochter geboren. Der Bau von Sarto Carbon-Rahmen ist also nur die zweitbeste Sache, die im Oktober 2002 entstand. (schmunzelt)

T: Das Entwerfen von maßgefertigten Rahmen ist wie Schneidern, habe ich gehört. Kannst du den Prozess beschreiben?

E: Was manche nicht wissen: Carbon wird in Blättern geliefert. Wie Leinwand. Aber ich male nicht darauf, wir formen daraus die Rohre. Da wir auch unsere eigenen Formen selbst bauen, haben wir eine enorme Vielfalt an Möglichkeiten, was Dicke, Form oder Stärke angeht. Dadurch und durch die Verwendung verschiedener Karbonfasern kann man verschiedenste Eigenschaften des Fahrrads wesentlich beeinflussen: unterschiedlichen Komfort, unterschiedliche Steifigkeit, unterschiedliches Gewicht.

T: Wie ein Schneider bei der Auswahl von Stoffen und Tüchern?

E: Ganz genau. Man kann das tatsächlich mit dem Kauf eines Anzugs oder Kleides vergleichen: Du kann zu einem großen Einzelhändler gehen - und hoffen, dass es passt. Vielleicht kann man ein paar kleine Änderungen vornehmen lassen. Aber das war's.
Oder du lässt ihn dir auf den Leib schneidern – den Anzug oder den Rahmen. Wir bauen das Fahrrad um den Kunden herum. Wir messen und schlagen vor, geben Tipps und Ideen. Aber am Ende entscheidest du selbst über jedes Detail.
Trotzdem lastet eine enorme Verantwortung auf meinen Schultern: Mein Name steht auf dem Fahrrad. Es muss passen und es muss funktionieren. 

T: Wie lange dauert es dann, bis ich auf meinem eigenen Sarto sitzen kann?

E: Normalerweise drei Monate. Aber das hängt auch von der Grafik und sonstigen Wünschen ab. Davon abhängig musst du uns eventuell etwas mehr Zeit geben.

T: Ehrlich - gibt es so etwas wie das perfekte Fahrrad?

E: (überlegt) Jedes Sarto Bike ist einzigartig, für diesen speziellen Kunden - und hoffentlich ist es für ihn so nah an der Perfektion wie möglich. 

T: (frech schauend) Was anderes - viele meiner Mitradler fangen mit Sarto Bikes wenig an?

E: Das stimmt. Aber die Sarto kennen, sind die Wiffen. (lacht) Nein, ganz ehrlich: Wir leben und arbeiten in einer Nische. Wir wissen das und tun das bewusst. Menschen mit einer echten Leidenschaft für Fahrräder kennen uns.

T: Es könnte helfen, ein Profi-Team auszustatten …?

E: Als wir mit der Herstellung von Rahmen begannen, haben wir tatsächlich für einige der großen Marken produziert. Auch für Fahrer und Teams bei Tour oder Giro. Vor vier Jahren haben wir dann endgültig beschlossen, nur noch Rahmen für unsere eigene Marke herzustellen.  Bei diesem Spiel mitzumachen, ist für mich unmöglich: Man braucht Millionen. Riesige Fabriken - und wir müssten uns von dem wichtigsten Aspekt unserer Identität verabschieden: Die Einzigartigkeit jedes einzelnen Rahmens, der auf die Person zugeschnitten ist, die das Rad fahren wird.

Wir sind sehr stolz darauf, dass jeder Schritt dieses Prozesses in unserem Werk in Italien stattfindet. Wir sind etwa ein Dutzend engagierte Experten - und wir nehmen uns Zeit für die Entwicklung und Herstellung von Rahmen. Wenn es mal für eine individuelle Lösung zehn Minuten oder zehn Stunden länger dauert, ist das kein Problem, sondern ein Pluspunkt unserer Marke und Zeichen unserer Leidenschaft. Und die Menschen, die ein Sarto-Bike kaufen, schätzen das.

T: Bedeutet das, dass ich nach Venedig kommen muss, wenn ich ein Sarto-Bike möchte?

E: (lacht) Das kannst du gerne tun. Aber du kannst auch in die VELETAGE hier in Wien kommen. Sie nehmen Maß, besprechen Wünsche und Möglichkeiten und schicken dann die Rohdaten und Ideen an uns. Wir arbeiten im Anschluss das Konzepte und diskutieren es mit VELETAGE und dem Kunden, bis wir gemeinsam die perfekte Lösung haben.

Aber natürlich: Die Vorstellung, dass VELETAGE eine Gruppenreise von Wien nach Padua organisiert, um für alle das perfekte Rad zu entwerfen, klingt verlockend: Benvenuti!

Rotte rollt – von Tom Rottenberg
Do | 14. Mär 2024

„Darf ich den Helm probieren, damit ich weiß, welche Größe ich online beim Diskonter bestellen soll?“ Das habe ich auf einem Poster in der VELETAGE gelesen. Spaß oder Ernst? Paradoxe Intervention, wurde mir erklärt. Denn ja, es gebe da ein Problem. Dann habe ich mich umgehört.

Reden wir also zuerst über die anderen. Etwa B. und seinen Lauf-Shop. Dort gibt es jetzt keine Laufuhren mehr. Das, betont B., liegt aber nicht an der Qualität der „Wecker“. Im Gegenteil: Die Dinger können enorm viel. Laien behalten da kaum den Über- oder Durchblick. Also gehen sie zum Auskenner: Zu B.

Was einst ein Asset war, wurde aber zum Problem: Gute Beratung braucht Zeit. Gut eine halbe Stunde, sagt B., sei da oft nötig. Doch danach falle oft ein Satz: „Ich überleg mir, welche - und melde mich.“ Theoretisch vernünftig - aber B. kennt den Unterton. Der heißt oft „ich such’ online die billigste Quelle“. Um die „Black Week“ und andere Rabatt-Zeiten, so B., häufe sich das auffällig.

Bleiben wir bei Laufshops: Bei N. erzählt man von acht oder neun mit Video-Check probegelaufenen Schuhpaaren. Dann kommt die „überleg-noch“-Ansage. Gern gepaart mit: „Ich mach rasch ein Foto.“ Mitunter postet dann sogar wer auf Social Media, wo er den Schuh um wieviel günstiger als „im Abzockerladen“ gefunden habe. Fragt sich, wer da wen abgezockt hat.

Was also tun? B. führt keine Uhren mehr. N. schmeißt „auf Verdacht hochkant raus“. Andere hoffen nur, dass „gute Kunden“ verstehen, dass Beratung nicht aus dem Nichts kommt. Dass sie Zeit, Expertise und Einfühlungsvermögen braucht - und dass genau das Spezial-Läden mit Flair und Identität von Online-Shops ohne Beratung und Lokalmiete unterscheidet. Doch alle wissen: Wo Geiz geil ist, hat das wenig Wert.

Wieso ich darüber in der VELOZETTE schreibe, die die Stammkunden der VELETAGE lesen? Also genau die, für die Beratungsqualität und Atmosphäre sehr wohl einen Wert darstellen, wo Fairness-Apelle die Falschen treffen. Weil das Problem natürlich nicht nur Laufschuhshops betrifft. Und weil es unelegant wäre, hier in der „Wir-Armen“-Form Publikumsschelte zu betreiben. Aber dass jemand einfach zum Probieren kommt und dann „rasch ein Foto“ macht, regt mich auf. Auch wenn ich als Journalist nicht direkt davon betroffen bin. Obwohl – Ideenklau kenn ich auch – aber das ist eine andere Geschichte. Ich glaube, wir alle sollten das aktiv ansprechen, wenn uns Orte wie VELETAGE etwas wert sind.

Und ich schreibe das auch, weil mir diese paradoxe Intervention gefällt. Würde in so manche Redaktionsstube auch gut passen.

Tom Rottenberg – Rotte – rennt und rollt, wenn er nicht als freier Journalist und PR-Berater arbeitet und sich Gedanken übers Rennen und Rollen, sprich Radfahren, macht.

N+1 – von Kurt Stefan
Fr | 01. Mär 2024

Sarto – zu Deutsch Schneider – der Name ist Programm! Sarto Bikes baut in einem Vorort von Padua, wenige Kilometer von Venedig entfernt, mit die exklusivsten Carbonrahmen, die man auf diesem Planeten finden kann. Natürlich und ausschließlich nach Maß. In den USA und im fernen Osten genießt die Marke Kultstatus. Was macht sie so besonders?

Maßrahmen aus Carbon werden in aller Regel in tube-to-tube Bauweise hergestellt. Das heißt, fertige, zugekaufte Carbonrohre werden zusammengefügt, verklebt und mit Carbonbandagen verbunden. Die Optik dieser Räder entspricht dann der klassischer Alurahmen mit runden Profilen. Mehr oder weniger.

Nicht so bei Sarto. Da stehen am Anfang nicht fertige Carbonrohre, die zugeschnitten werden, sondern wie beim Monocoque-Bau Prepreg-Carbonmatten mit unterschiedlichen Strukturen. Und Formen. Aber eben nicht nur zwei pro Rahmen, eine für das Rahmendreieck, eine für den Hinterbau, wie bei der klassischen Monocoque-Bauweise, sondern eigene für das Unterrohr, das Oberrohr, das Sattelrohr, das Steuerrohr, und so weiter. Daraus werden die Rahmenbestandteile in individueller Länge gefertigt und dann zum Rahmen zusammengesetzt. Multi-coque statt Monocoque, sozusagen. Mit dieser sehr aufwendigen Bauweise kann man Aerobikes mit flächigen Profilen nach Maß fertigen. Außergewöhnlich.

Beim hier vorgestellten Raso TC, dem Flaggschiff von Sarto Bikes, hat man sich noch etwas Besonderes einfallen lassen. TC steht für Tri-Composites. Das heißt, eine dritte Komponente, Fasern aus Kupfer, wurde dem Carbon hinzugefügt. Das verbessert die Energieaufnahme des Carbon und damit die Dämpfung. Darüber hinaus: Das Material lässt sich färben, womit im raw carbon Farbeffekte erzeugt werden können. Feinster Stoff eben, wie es sich für einen italienischen Schneider gehört.

Rahmensatz: Raso Aero aus Tri-Composite mit 12x142mm Steckachse, Interne Kabelführung für alle elektrische Schaltungen, max. Reifenbreite 35mm

Gabel: Raso (flat mount) für 12x100mm Steckachse

Cockpit: Mono Aerobar System

Sattel: Selle Italia SLR Boost 3D Kit Carbon

Gruppe: Campagnolo Super Record Wireless

Tretlager: Campagnolo

Kurbel: Campagnolo Super Record

Laufräder: Campagnolo Bora Ultra DB WTO 33/45

Zu Gast im Salon – von Tom Rottenberg
Do | 15. Feb 2024

Laktat- und ähnliche Leistungstests sind bekannt. Bei stetig steigender Belastung wird alle paar Minuten Blut genommen und analysiert. Funktioniert einwandfrei, ist aber aufwändig und für manche unangenehm. Ein kanadischer Wissenschaftler schafft es nun auch ohne Pieks: Dr. Assaf Yogev setzt mit DRKHORSE auf eine nicht-invasive Methode mit optischen Sensoren - und ist dennoch so genau und verlässlich wie die klassische Methode. Tom Rottenberg hat ihn virtuell als Gast im Salon interviewt.

Tom: Assaf, wer regelmäßig trainiert, kennt wahrscheinlich die Leistungsdiagnostik, bei der Sauerstoff- oder Blutlaktatwerte während verschiedener Belastungsphasen gemessen werden. Die sich daraus ergebenden Kurven verraten, wann man die Belastung reduzieren sollte und wie lange man seine maximale Leistung erbringen kann. Du hast eine Methode entwickelt, die das auch kann - aber ohne Blutproben aus dem Ohr oder den Fingerspitzen entnehmen zu müssen.

Assaf: Ja. Denn mein Ziel war es, eine user-freundlichere Methode zu finden, um Sportler über die optimale Trainingsintensität zu informieren. Nach meiner Promotion an der University of British Columbia in Vancouver habe ich hauptberuflich Radsportler, viele aus dem Pro-Peloton, trainiert. Wie hart soll jemand trainieren, um optimale Ergebnisse zu erreichen? Herkömmliche Mess-Methoden beinhalteten unbequeme Labormessungen, um den Sauerstoffverbrauch, das Laktat im Blut und die Herzfrequenz zu bestimmen.

Neue Geräte, optische Sensoren, können jedoch den Sauerstoffgehalt des Blutes mit Hilfe von Infrarotlicht durch die Haut hindurch messen. Und zwar in Echtzeit während der Belastung - im Gegensatz zur Blutabnahme, die immer verzögert erfolgt. Wir haben eine auf diesen Geräten basierende Methode entwickelt, die diesen Laborverfahren ähnelt. Dann wird das Verhältnis zwischen Trainingsintensität und muskulärem Sauerstoffverbrauch grafisch dargestellt. Dabei ergibt sich ein nichtlineares, umgekehrt-u-förmiges Muster, das mit traditionell ermittelten Ergebnissen übereinstimmt.

T: Die Methode ist tatsächlich so zuverlässig wie der traditionelle Weg?

A: Ja. Der Schlüssel ist die Einfachheit: Mir geht und ging es nicht nur darum, Daten zu liefern, sondern den Athletinnen und Athleten auch ein klares Verständnis über ihren eigenen „Motor“ und seine Eigenheiten zu verschaffen. Das Erkennen von Stärken und Schwächen erhöht die Trainingsqualität. Von Anfang an.

T: Wann hast du damit begonnen?

A: Die Technologie, diese tragbaren Sensoren, wurde um 2006 entwickelt. Wir verwenden die Methode seit 2018. Wir haben hunderte Sportlerinnen und Sportler getestet und gingen dann - 2019 - als Marke DRKHORSE auf den Markt. Also kurz vor Covid. Aber just die Pandemie hat das enorme Potenzial dieser Mess- und Analysemethode deutlich gemacht, wegen der nicht-invasiven Technologie und der Möglichkeit der damit verbundenen Fernanwendung.

T: Trotzdem ist jemand von DRKHORSE beim Test anwesend!

A: Ja, wir interpretieren Daten manuell und persönlich, um personalisierte Ergebnisse zu garantieren. Im Gegensatz zu vorgefertigten Berichten erkennen wir so die individuelle Einzigartigkeit jedes Athleten und jeder Athletin. Als Coach muss ich die Person vor mir kennen und verstehen, um Empfehlungen auf Grundlage der spezifischen, individuellen Bedürfnisse, Erwartungen und Ziele formulieren zu können.

T: Zu optischen Sensoren: Die sind bei Sport-Uhren heute Standard, liefern aber bei der Pulsmessung oft ungenaue Daten. Dass da bei nichtinvasiven Methoden zur Messung des Sauerstoffgehalts im Blut Skepsis aufkommt, liegt nahe.

A: Absolut! Diese Variabilität, also die Ungenauigkeiten, ergeben sich aber vor allem aus wechselnden, nicht genormten oder schwierigen Umgebungsbedingungen. Deshalb rate ich auch davon ab, unsere Methode im täglichen Training anzuwenden. So weit sind wir noch nicht. 

Wir arbeiten also unter normierten, klar definierten Laborbedingungen. Dort sind die Daten nämlich sauber und konsistent. So sauber, dass sie mit invasiven Goldstandard-Tests gleichauf liegen. Die Messungen sind zuverlässig – aber eben nur in kontrollierten Umgebungen.

T: Ich habe kürzlich einen traditionellen Leistungstest bei meinem Sportarzt durchführen lassen. Sind Eure Ergebnisse damit tatsächlich vergleichbar?

A: Wir sind kein Ersatz für Ärzte! Unsere Methode hilft, die eigene Leistungsfähigkeit zu messen und zu analysieren - aber sie gibt keine Hinweise auf den Gesundheitszustand! 

Wenn wir etwas Ungewöhnliches in den Daten feststellen, empfehlen wir, einen Arzt zu konsultieren. Unser Schwerpunkt liegt auf Fitness.

T: Aber der Test an sich läuft - abgesehen von der Blut-Abnahme - gleich ab?

A: So gut wie. Aber unsere Methode dauert länger als die klassische. Auch, weil wir die Pausen zwischen den Leistungs-Schritten analysieren, um die Regenerationsfähigkeit zu bewerten. Das ist ein einzigartiges Merkmal und fehlt bei herkömmlichen Leistungstest-Methoden. Eben weil wir ständig und in Echtzeit messen können - nicht nur punktuell bei der Blutabnahme.

Die enorme Sensibilität des Infrarotsensors hilft bei der Messung des Sauerstoffverbrauchs. Und diese Erholungskinetik gibt Aufschluss darüber, wie effizient dem Muskel auch danach Sauerstoff zugeführt wird. Entscheidend ist auch, dass wir erkennen, wann du dich nicht mehr vollständig erholen kannst. Das definiert die Belastungsgrenzen.

T: Für einen Spitzensportler ist das wichtig. Aber für mich?

A: Vor Covid lag unser Schwerpunkt im Spitzensport, aber während der Pandemie, als keine Wettkämpfe stattfanden, haben wir uns auf ein breiteres Publikum eingestellt. Wir haben die Methode, aber auch unsere Art zu erklären und zu beraten, überarbeitet. So bieten wir individuell Informationen nicht nur zu deinen Trainingszonen, sondern auch Einblicke in individuelle Stärken und Schwächen an. Wir helfen damit, Stärken zu erkennen und zu verstehen – und der Fokus darauf erhöht die Freude am Sport. 

T: Endlich jemand, der auf meine Stärken verweist und nicht auf meinen Schwächen herumreitet. Das klingt interessant. Ich freu mich schon!

A: Daniel, mein Partner in Wien, erwartet dich in der VELETAGE!

Rotte rollt – von Tom Rottenberg
Fr | 03. Nov 2023

Klar: Draußen ist schöner. Und es gibt Menschen, die Drinnen-Fahren auch bei Wäh-Wetter grundsätzlich ablehnen. Andererseits: Wenn die Alternative drinnen ausfällt, gibt es nur noch eine Option: Nicht fahren - und das geht, bitte, gar nicht.

Während ich diesen Text schreibe, sitzt mir mein Lieblingsmensch gegenüber und flucht. Laut und oft. Wenn sie besonders laut wird, hebe ich den Kopf und lächle sie an. Zuckersüß. Dann wird das Fluchen persönlich.

Bevor Sie sich um mein Beziehungsleben sorgen: keine Angst, alles gut. Aber Herzdame sitzt gerade auf dem Kickrbike und klettert in irgendeiner virtuellen Welt Bergstraßen hoch. Ich kenne niemanden, der oder die dabei nie flucht. Nur hört man das draußen nicht. Meist, weil man selbst gerade kämpft und außer dem Pochen des eigenen Herzens nur das Pfeifen der Lunge hört. Und selbst auch gotteslästerlich flucht, aber dieses Leiden trotzdem liebt. Weil Draußen fahren mit das Schönste ist, was es gibt. Jo eh.

Die Sache ist nur die: Draußen ist es schon dunkel. Es schüttet. Und zwar waagrecht. Und obwohl ich und Herzdame nicht zu den „faster“ aber angeblich doch „tougher cookies“ gehören, gibt es Situationen, in denen Zwift & Rouvy Hadersfeld, Buschberg & Co - wir sind Wiener - schlagen. 

Weil es keinen Spaß macht, im Starkregen bei jeder Böe zu beten, nicht in den Graben gedrückt zu werden. Oder auf Straßenmarkierungen und Gullys in Kurven weg zu rutschen. Vereiste Straßenstücke gib es „dank“ Klimawandel ja kaum mehr. 

Oder schon am Nachmittag trotz Christbaumbeleuchtung und Ganzkörperlametta zuerst übersehen und beim Überholen dann komplett eingesaut zu werden. Oder fürs Anziehen mehr Zeit einplanen zu müssen als für die Fahrt. 

Kurz gesagt: Obwohl draußen fahren auch bei Kälte super sein kann, sind einige Begleiterscheinungen von Herbst und Winter schlicht „Popsch“.    

Auch wenn die richtig Harten jetzt „Ausreeeedeeee!“ blöken: Bevor ich zunächst einen Rollentrainer und nun mein Kickrbike daheim hatte, gab es zum Draußen fahren nur eine Alternative. Sie lautete: Nicht fahren. 

Nichtfahren ist „Doppelpopsch“. Und es hat Folgen: Tut man es öfter und länger - was zwischen November und März durchaus drin ist, wird das Draußen fahren danach mühsamer. Und damit freudloser. Dann erschlägt das Fluchen irgendwann die Liebe. Das ist nie gut. Nicht nur am Rad.

Deshalb gibt es auf die Frage: „Drinnen oder draußen?“ genau eine Antwort: Beides. Eben wegen der Liebe.

Obwohl mir mein Lieblingsmensch gerade das Sofa als Dauerschlafplatz ankündigt, sollte ich sie weiterhin frech-entspannt angrinsen, während sie am virtuellen Col du Tourmalet 1000 reale Tode stirbt. 

Aber wir wissen beide: Im nächsten Frühjahr hängt sie mich bergauf dann dort ab. Weil sie drinnen nämlich lauter und konsequenter flucht als ich - und das belohnt das Draußen dann.

Tom Rottenberg – Rotte – rennt und rollt, wenn er nicht als freier Journalist und PR-Berater arbeitet und sich Gedanken übers Rennen und Rollen, sprich Radfahren, macht.

Neu im Salon – von Kurt Stefan
Fr | 03. Nov 2023

Wenn wir etwas Neues entwickeln, werden nicht gleich Grenzen gesetzt. Zuerst kommen die Anforderungen ans neue Produkt. Der Preis steht dann notwendigerweise am Ende der Entwicklung, heißt es bei Lupine. Nur so entsteht das perfekte Licht.

Ein wenig erinnert dieser Ansatz an einen Mr Jobs, der seine Designer und Entwickler auch so lange gequält haben soll, bis das Produkt zu 100% seinen Vorstellungen entsprach. Dass es dann am Ende das teuerste war, interessierte ihn nicht wirklich. Ein klein wenig tickt auch Wolf Koch, der Gründer von Lupine so. Es geht ihm bei der Entwicklung eines neuen Lichts weniger um die theoretischen Kennzahlen, egal ob Lumen, Lux oder ähnliches, sondern um das Lichtbild, die breite homogene Ausleuchtung, die seine Leuchten erzeugen. Lupine orchestriert dafür ein Netzwerk von Spezialisten, z.B. den LED-Leuchten Erzeuger Cree aus den USA, andere Partner für Linsen und Reflektoren in Deutschland, und komponiert daraus im Werk in Neumarkt in der Oberpfalz, irgendwo zwischen Regensburg und Nürnberg, das beste Licht. Dort werden alle Produkte entwickelt, getestet und zusammengebaut. Auch Spezialanfertigungen, etwa für die Österreichische Bergrettung. Und falls einmal etwas kaputt geht, wird es auch in kürzester Zeit wieder repariert. Die Messlatte liegt bei drei bis vier Tage Durchlaufzeit. Denn es soll rasch wieder Licht werden!

Radkultur – von Kurt Stefan
Fr | 20. Okt 2023

Am 1. Oktober 2023 fand zum sechsten Mal VELO VERTICAL VIENNE statt - falls wir uns nicht verzählt haben. Auf einem Rundkurs waren 16 Anstiege in Wien zu bewältigen, irgendwann zwischen Sonnenauf- und Sonnenuntergang. Nur diese Anstiege werden gewertet, denn es heißt: NUR BERGAUF ZÄHLT! Über 160 waren gemeldet, mehr als 130 stellten sich tatsächlich der Herausforderung.

Das Event ist eine große Sache für uns. Entwickelt wurde das Format von Tom und Josh, Wolfgang - ein Kunde und Freund von Tom - hat als Verkehrsplaner sein Strecken-Know-How eingebracht. Danke dafür! Wir wollen damit auch zeigen, wie herausfordernd, abwechslungsreich und sportlich du in Wien Rennradfahren kannst. Sogar innerhalb der Stadtgrenzen. Dazu wollten wir ein Format entwickeln, das sich nicht zu ernst nimmt. Und so prämieren wir nicht nur die Schnellsten, sondern auch die Langsamsten als Slowest Winner. So sie alle 16 Anstiege meistern.

PS: Danke an CeramicSpeedMaurten und Pas Normal Studios für die Unterstützung. 

N+1 – von Kurt Stefan
Fr | 06. Okt 2023

"Sie sparen durch die Gehaltsumwandlung bis zu 55% des Kaufpreises und können ihr Fahrrad für den Weg zur Arbeit und in der Freizeit nutzen." So oder so ähnlich steht es auf den meisten Webseiten der Firmen, die Fahrradleasing anbieten. Aber was steckt dahinter. Klingt das nicht zu schön, um wahr zu sein?

Ja und nein! Die 55% Ersparnis fallen bestenfalls ab einem Brutto-Monatsgehalt von knapp 9.000EUR an. Aber bereits bei einem Monatsgehalt von ca. 3.500EUR sind es je nach Art der Finanzierung bis zu 40%. Das zahlt sich doch aus, oder? 

Wie und warum geht das? Im Unterschied zu einem Dienstwagen oder selbst Diensthandy stellt ein vom Arbeitgeber zur Verfügung gestelltes Fahrrad keinen Sachbezug dar. Das heisst, wenn du die eingangs erwähnten 3.500EUR verdienst und dir zusätzlich ein Fahrrad im Wert von 5.000EUR zur Verfügung gestellt wird, erhöht sich die Bemessungsgrundlage deiner Lohnsteuer nicht. Selbst wenn das Dienstrad über eine Gehaltsumwandlung vom Dienstnehmer selbst bezahlt wird, rechnet sich das, da die monatliche "Rate" vom Bruttogehalt abgezogen wird. Wie hoch die Ersparnis genau ist, hängt von vielen Parametern ab: Einkommenshöhe. Höhe und Art des Versicherungsschutzes. Leasing oder Ankauf durch den Arbeitgeber. Bei Leasing von Leasingdauer und Restwert.

Die Leasinganbieter haben in der Regel einen Kalkulator auf ihrer Webseite, mit dem man die Ersparnis abhängig von den oben erwähnten Parametern errechnen kann. Wir arbeiten mit allen führenden Anbietern zusammen: Bikeleasing.atLease-my-BikeJobrad und Lease-a-Bike.

Aber auch wenn das Unternehmen das Fahrrad nicht leasen sondern selbst erwerben will - in der Regel die günstigste Variante - ist das möglich. Bei der Administration dessen unterstützt z.B. avimo Dienstrad. Auch wenn nicht viel mehr notwendig ist, als eine Nutzungsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und -nehmer. Und das Rad ins Anlagenverzeichnis aufzunehmen.

Kurz zusammengefasst:

Du sparst dir 100% der Anschaffungskosten deines Fahrrads, wenn der Dienstgeber dir das Rad kostenlos zur Verfügung stellt. Für den Dienstgeber ist es die günstigste Art, eine Gehaltserhöhung oder Prämie zu gewähren, weil es die Abgabenbemessungsgrundlage nicht erhöht.

Du sparst dir die Anschaffungskosten in Höhe deines Grenzsteuersatzes - das ist die höchste Lohnsteuerklasse, in der du dich aufgrund deines Gehalts befindest -, wenn dein Bruttogehalt für die Nutzung des Dienstrades um einen vereinbarten Betrag reduziert wird. Dieser Betrag darf die Abschreibungskosten über die Nutzungsdauer nicht übersteigen.

Vorteile für den Arbeitgeber:
(Noch) ein Alleinstellungsmerkmal beim Kampf um die besten Talente.
Sportlich aktive Mitarbeit haben empirisch nachgewiesen weniger krankheitsbedingte Fehlzeiten.
Ein Dienstrad erhöht die Abgabenbemessungsgrundlage nicht.

Bevor wir dir gleich ein besonders schönes Dienstrad zeigen, sei noch auf folgende Eigenheiten der österreichischen DIENSTRAD-Regelung hingewiesen:
Es gibt keine Preisobergrenze wie in Deutschland!
Alle Arten von Fahrrädern sind DIENSTRAD-tauglich - egal ob e-Bike, Stadtrad, Gravelbike oder Rennrad!
Es gibt keine Beschränkung bei der Anzahl der DIENSTRÄDER pro Mitarbeiter!
Es können nur fest mit dem Fahrrad verbaute Teile berücksichtigt werden, kein Zubehör wie Helme, etc.

Rahmensatz: Softride-Stahlrahmen, Teile 3D-printed, pulverbeschichtet in Wunschfarbe, gefertigt in Deutschland

Gabel: Carbon Gabel (flat mount) für 12x100mm Steckachse, mit Gewinde für Gabelgepäckträger.

Antrieb: Mahle ebikemotion X35 Nabenmotor mit Riemenantrieb, 250 Wh | 36 V, 40 Nm Drehmoment, bis zu 100 km Reichweite (optional mit Range Extender +60km)

Cockpit + Sattelstütze: LightSKIN-Lenker und -Sattelstütze mit integriertem LED-Licht

Laufräder: mit Carbonfelgen (Sonderausstattung)

Reifen: Continental GP Urban 35

Sattel: Brooks Cambium (Sonderausstattung)

Zubehör: Schutzbleche, Tubus-Gepäckträger, Hexlox-Diebstahlsicherung

Neu im Salon – von Kurt Stefan
Fr | 29. Sep 2023

Der Straßenverkehr ist für Rennradfahrer ein gefährlicher Ort. Kann ein kleines rotes Licht das verändern?

Bryton ist ein taiwanesischer Hersteller von elektronischen Produkten für Radfahrer. Den Background hat die Firma beziehungsweise haben deren Gründer in der Unterhaltungselektronik. Jetzt haben die natürlich das Rücklichtradar nicht erfunden, das waren schon andere, aber sie haben es, wie wir meinen, demokratisiert. Es lässt sich leichter als andere in fremde Eco-Systeme integrieren. Egal, ob du jetzt Wahoo, Hammerhead, Garmin oder Bryton selbst verwendest. Wenn dein Computer über ANT+ verfügt und das ANT+ Radar-Protokoll unterstützt, lässt sich der Gardia überraschend leicht auch von anderen Computern steuern. Die besten Erfahrungen haben wir dabei mit dem Karoo 2 von Hammerhead gemacht. Dann kommt noch der verhältnismäßig günstige Preis dazu. So werden hoffentlich mehr und mehr Leute dieses kleine rote Licht am Rennrad nutzen und es kann wirklich für mehr Sicherheit im Straßenverkehr sorgen.

PS: Für alle, die solche Radarsysteme noch gar nicht kennen, kurz erklärt: Sich von hinten nähernde Fahrzeuge werden erkannt und das wird akustisch und/oder optisch am Fahrradcomputer angezeigt. Außerdem beginnt das Licht zu blinken und macht den Autofahrer auf den Radfahrer aufmerksam. Weitere details dazu in der Produktbeschreibung.

Rotte rollt – von Tom Rottenberg
Mo | 25. Sep 2023

Rad-Rückblick-Radar Systeme gab es lange Zeit nur von einem einzigen Hersteller. Mittlerweile sind es deren drei. Und alle funktionieren, denn sie erhöhen meine Chance, als Radfahrer im Straßenverkehr als relevant wahrgenommen zu werden. Nachdrücklich. Also: „Nie mehr ohne?“

Am Spannendsten war der direkte Vergleich „im Trockenen“ - am Straßenrand. Und das gar nicht wegen der Unterschiede zwischen den Geräten: Die sind in der gefahrenen Praxis nämlich marginal. Und am Ende des Tages nicht kaufentscheidend.

Aber als wir uns mit den drei am europäischen Markt angeblich verfügbaren (ungleich: „erhältlichen“) Fahrrad-Rückblick-Radargeräten in Wien in eine Tempo-30-Zone stellten um mit den bei Annäherung eines Fahrzeuges immer schneller rot blinkenden Dingern zu spielen, staunten wir nicht schlecht: Vollbremsung folgte auf Vollbremsung, sobald die Lichter zu blinken begannen. Und rasch kristallisierte sich auch ein Muster heraus. Mit Ausreißern, versteht sich, aber eben doch: Am häufigsten beim Schnellfahren „ertappt“ fühlen sich BMW- und Audi-Fahrer. Getönte Scheiben, junge Männer, laute Musik? Beim Erkennen „keine Cops“ wird dann gerne demonstrativ voll aufs Gas gestiegen. Und gestänkert.

Dessen ungeachtet erzielte das Blinken-bei-Annäherung aber seinen Zweck: Alle, wirklich alle, sahen es - und reagierten. Das zählt: Nicht-Übersehen-Werden ist am Rad die Antwort auf die Frage: „Wie überlebe ich?“ 

Fein - und für mich eine weitere Bestätigung, „nie mehr ohne Radar“ zu sagen. Den Hauptgrund liebe ich seit einem Jahr: Der zunächst gelbe, dann rote und – wenn die Gefahr vorbei ist – grüne Balken am Radcomputer und die sich darin von hinten nähernden Punkte (pro Fahrzeug einer), machen das Fahren angenehmer, weil überraschungsfrei. Es macht einen Unterschied, wenn der Tesla und der dritte Wagen einer kleinen Kolonne nicht „aus dem Nichts“ kommen. Und auch wenn der Schulterblick nicht entfallen darf, muss ich mich deutlich weniger oft Umdrehen - weil die Geschwindigkeit, mit der die Punkte näher kommen wirklich hilft.

Klar: Wie eng oder aber wie vernünftig dann vorbeigefahren wird, steht auf einem anderen Blatt. Aber: Darauf habe ich auch ohne Radar Null Einfluss. Auch wenn der Luftzug bei Tuchfühlungs-Rasern bleibt - der große Schreck fällt weg. 

Ganz abgesehen davon, dass der Trocken-Test am Straßenrand bestätigte, was meine Ein-Jahr-Privat-Empirie nahe legte: Das zunächst statisch-leuchtende Radar-Rücklicht beginnt ab etwa 140 Metern Abstand zu blinken. Beim Näherkommen wird es dann schneller. Und das wirkt sich - gefühlt – bei vielen auf ihr Überholverhalten aus: Wieso „ich wurde gesehen, also halte ich Abstand“ funktioniert, wäre psychologisch spannend - auf der Straße zählt aber nur eines: Es wirkt.

Und deshalb gilt für mich das, was ich seit einem Jahr predige weiter und umso mehr: „Nie mehr ohne.“

Tom Rottenberg – Rotte – rennt und rollt, wenn er nicht als freier Journalist und PR-Berater arbeitet und sich Gedanken übers Rennen und Rollen, sprich Radfahren, macht.

N+1 – von Kurt Stefan
Fr | 01. Sep 2023

Wir stellen heute ein Fahrrad vor, bei dem es ganz rational nur darum ging, das schnellstmögliche Ironman-taugliche Gefährt für eine neue Bestleistung zu bauen. Wir hören bei einem Rad dieser Preisklasse und dem Begriff rational schon das laute Lachen. Aber ja, der Ansatz war wirklich ganz sachlich, ganz zielorientiert. Daher haben wir uns dem Thema auch mathematisch genähert und dazu diese Formel entwickelt: H + E + R + C = Vmax.

Wir haben uns also der Themenstellung hochmathematisch genähert: Integralrechnung, Trigonometrie - nichts war uns kompliziert genug. Sogar einen Meteorologen haben wir zu Rate gezogen. Nicht wegen der Strömungslehre, sondern weil er im Unterschied zu uns mit Trigonometrie und Integralrechnung wirklich was anzufangen weiß.

Am Ende hat sich das alte KISS-Prinzip - Keep it simple, stupid - durchgesetzt und wir haben mit einer einfachen Addition das Auslangen gefunden. Wir haben das Beste unserer Lieferanten hergenommen und VONHAND zu diesem Traumrad aufgebaut. Den TT-Rahmensatz Hanzō in Sonderlackierung von Factor, das Scheibenrad und Vorderad von ENVE, mit Naben von Carbon-Ti, die leichten und extrem steife Aldhu Carbon Kurbelgarnitur mit INSpider-Powermeter von Rotor - und alles was wir von CeramicSpeed bekommen konnten: Steuersatz- und Tretlager, OverSized Pulley Wheel-System und beschichtete Keramik-Kugellager in den Naben, vorne und hinten.

Also: Hanzō + ENVE + Rotor + CeramicSpeed = Maximale Geschwindigkeit!

Rahmensatz: Factor HANZŌ Toray® & Nippon Graphite® Pan-Based Fiber mit 12x142mm Steckachse, Interne Kabelführung nur für elektrische Schaltung, CeramicSpeed SLT Steuersatz, max. Reifenbreite 28mm

Gabel: Factor Wide Stance (flat mount) für 12x100mm Steckachse

Cockpit: Factor Mono-Riser Aerobar System

Tretlager: CeramicSpeed

Sattel: GebioMized

Gruppe: Shimano Utegra Di2 mit CeramicSpeed OSPW, Kassette 11-34Z, KMC-Kette von CeramicSpeed

Kurbel: ROTOR Aldhu Carbon 2x12 , 52|36Z

Laufräder: VONHAND mit ENVE SES 5.4 Carbon-Felge mit Carbon-Ti X-Hub Naben vorne und ENVE Disc hinten, mit CeramicSpeed Lagern

Reifen: Vittoria Corsa

Rotte rollt – von Tom Rottenberg
Fr | 11. Aug 2023

Zu behaupten, dass es keine Rennrad-Rowdies gibt, wäre gelogen. Und leider werden es gefühlt mehr. Das mathematisch zu relativieren, hilft niemandem. Vielleicht hilft, es manchmal anzusprechen. Ein Versuch, ein unangenehmes Thema in der Rennrad Community zu platzieren.

Mathematisch wäre die Sache leicht erklärt: Der Großteil der Menschen ist gut. Freundlich, höflich, rücksichtsvoll. Auch im Verkehr - unabhängig vom Transportmittel: In der S-Bahn, im Stau auf der Tangente, im SUV, der von hinten anrauscht – oder auf dem Rennrad: 85, 90, 95 vielleicht sogar 99 Prozent verhalten sich absolut korrekt.

Wie viele wirklich? Egal. Man vergisst sie sofort. Im Gegensatz zu den anderen: Den Nahtod-Überholern. Den zu Laut-Telefonierern. Den Rettungsgassen-Befahrern. Aber auch den Rennradlern, die sich wochenends am Donaukanal oder auf der Donauinsel ihr - vermeintliches – Recht auf 35 km/h drängelnd, schneidend und schimpfend durch Spaziergängergruppen erpöbeln wollen.

Rennradlern tut das, was jetzt kommt, weh. Aber: Ja es gibt diese „Kollegen“ (selten „-innen“). Und: ja, sie werden mehr. Auch wenn sich das „Bubble“-Bewusstsein, das „Wir“-Gefühl, sträubt: Das gute R(ennr)ad steht nicht für den guten Charakter des Fahrers. Vielleicht war das früher anders, aber in jeder Gruppe gilt: Je mehr sie „in der Mitte der Gesellschaft“ ankommt, umso repräsentativer für diese Gesellschaft werden die Akteure. Das Rennrad hat die Mitte erreicht.

Darum: Ja, es gibt sie, die Ich-bin-der-Nabel-des-Universums-Fahrer. Die „Gleicheren“. Die, für die durch soziale Intelligenz nachvollziehbare Regeln nicht gelten. Ihr Fahrstil zeigt, wer und was sie sind: Ärsche auf Rädern. Nicht nur im wörtlichen Sinn. Leute, mit denen man weder mitgenannt noch mitgemeint werden will. Aber genau das wird man: „Mit euch Rennradfahrern wird es immer schlimmer.“

Das Blöde: Ganz falsch ist das nicht. Schuld ist die Mathematik: Wächst eine Gruppe, steigt nicht der Anteil aber doch die Anzahl jeder ihrer Teilmengen. Egal wie gut sich also 90, 95 oder sogar 99 Prozent verhalten: Ja, es sind tatsächlich mehr Vollpfosten unterwegs. Dazu kommt: Während Auto-Raser selten auf gemeinsamen Verkehrsflächen mit Fußgängern auftauchen, ist der Rennradler, der Kinder abdrängt, sehr nah, spür- und (beinahe) greifbar.

Was tun? Hm. Schön- und Kleinreden wäre gelogen. Gegen Emotion und Erlebtes sind Mathematik und Statistik sowieso machtlos – und Whataboutismen sind Brandbeschleuniger.

Draußen, auf der Straße, ist das vielleicht anders: Spinner kann man zur Rede stellen - manchmal hilft das sogar. Und Schwächeren mit dreifacher Höflich- und Achtsamkeit begegnen. Gerade Verängstigte bemerken das - und erst wenn sie selbst erzählen, dass es „auch die anderen Rennradler“ gibt, lässt sich das Bild zurechtrücken.

Tom Rottenberg – Rotte – rennt und rollt, wenn er nicht als freier Journalist und PR-Berater arbeitet und sich Gedanken übers Rennen und Rollen, sprich Radfahren, macht.

Rotte rollt – von Tom Rottenberg
Fr | 16. Jun 2023

„Bikepacking“ ist ein ganz großer Trend. Doch wer mit dem Rad verreisen will, muss sich mit diesem Begriff auch „andersrum“ herumschlagen: Das Bike mit Bahn, Bus oder Flieger auf Reisen zu schicken, ist nämlich alles andere als unkompliziert.

„Frechheit siegt“ ist immer eine Option, mitunter die beste: Wer einen überdimensionalen Plastiksack aus der Tasche kramt, Vorder- und Hinterrad abmontiert und gemeinsam mit dem Rahmen in die Plastikplane stopft, kann nämlich sagen: „Das ist kein Fahrrad – sondern Gepäck.“

Gepäck ist erlaubt. Ist - gängige Maße vorausgesetzt – weder anmelde- noch reservierungs- oder gar gebührenpflichtig. Es fällt weder unter Fahrräder-am-Zug-Quoten noch Fahrradabstellplatz-Regelungen: Dass in einer Tasche, einem Koffer oder in einer Folie kein (zerlegtes) Fahrrad verstaut sein darf, steht nirgendwo.           

Im Gegenteil: Die Schweizer Bahn vertreibt robuste, aber kompakt auf A4-Format zusammenfaltbare „Radsäcke“ sogar selbst. Ähnliche – weniger feste – Taschen gibt es in Webshops ab 35 Euro.

Warum das hier steht? Mein letzter Bike-Trip scheiterte beinahe im Vorfeld. Denn das Rad mit Bahn, Bus oder Flieger mitzunehmen, ist logistisch und organisatorisch oft mühsam - und ungewiss.

Klar: Es geht. Es wird auch besser. Langsam. Sehr langsam. Denn der Dschungel an Regeln und Einschränkungen ist unübersichtlich. Höflich gesagt.

Am einfachsten ist Fliegen: Sport- oder Sondergepäck anmelden – und bezahlen. Und hoffen, dass das Rad trotz (teurem) Spezialkoffer heil ankommt.

Aber ich wollte klimaverträglicher mit der Bahn unterwegs sein. „Es ist kompliziert.“ Ja, bei Fernzügen gibt es – wenige und reservierungspflichtige – Radplätze. Am Railjet, im IC, bei der Westbahn. Sogar im Nightjet. Wobei: bei Letzterem nur für einige Ziele. Mitnahme-Plätze ins Schlafabteil sind rar - und gefühlt weg, bevor Tickets buchbar sind. Regionalzüge? S-Bahn? Ob dort ein Rad-Platzerl frei ist, ist Glückssache - Bike-Tickets muss man dennoch vor Fahrtantritt zahlen.

Vielleicht im Bus? Fernbusse funktionieren wie Fernzüge: rechtzeitig reservieren. Wer zu spät bucht, hat Pech. Immerhin: Man weiß es vorher. Und ob regionale Busse Fahrräder am Heck oder im Anhänger mitnehmen, lässt sich recherchieren. Mühsam. Weil: Jeder Verkehrsverbund tickt anders. Erstens was für Räder offene Buslinien sind, zweitens was die Abwicklung betrifft: Hier muss reserviert werden, dort gilt first-come-first-ride – anderswo gibt es No-Bike-Zeiten. Und wo das Rad ins Fahrzeug darf, entscheidet der Fahrer, wenn alle Plätze belegt sind: Das geschieht mitunter recht - sagen wir mal – „subjektiv“.

Kurz: Rad-Reisen ist ein Lotteriespiel. Deshalb die Flinte ins Korn zu werfen, ist aber keine Option. Nicht für mich. Ich werde im Zug fahren, durch verschiedene Länder, mit unterschiedlichen Linien und mein Fahrrad in einem Schweizer Plastiksack verpacken. Obwohl wir in Wien ja einen anderen Ausdruck für diese Art von Reisetasche haben. Pssst.

Tom Rottenberg – Rotte – rennt und rollt, wenn er nicht als freier Journalist und PR-Berater arbeitet und sich Gedanken übers Rennen und Rollen, sprich Radfahren, macht.

Rotte rollt – von Tom Rottenberg
Fr | 05. Mai 2023

Experten wie DCrainmaker testen Elektronik wie Experten. Normalos nutzen Elektronik wie Normalos. Ich bin ein Normalo und hab Hammerheads Karoo2 auf seine Für-Ahnungslose-Tauglichkeit getestet. Resümee: Wie alle Elektronik hat auch er ein Layer-8-Problem!

In der IT-Welt gibt es einen fiesen Terminus: Layer-8-Problem. Sagt der Techniker Layer-8 atmet der beratene Laie auf: Das klingt nach knifflig. Tatsächlich hakt es bei Layer-8 aber weder an Gerät noch System – sondern am User.

Wieso eine Radcomputerrezension so beginnt? Ganz einfach: Weil ich beim Karoo2 ein typisches Layer-8-Thema hatte. Denn der gehypte Radcomputer von Hammerhead ist in Wirklichkeit natürlich super, kann alles, was so ein Ding können soll. Sogar mehr. Aber: Ich bin „Layer-8“.

Der Grund? Mein vermeintliches Vorwissen. Man fuhr schon andere Computer – und liest daher grundsätzlich keine Betriebsanleitung, sondern fährt munter los. Das rächt sich unterwegs. Etwa weil man keinen Tau hat, wo und wie man Displayanzeigen umkonfigurieren könnte: Die Durchschnittssteigung ist mir egal – ich will hier lesen, wie lange ich unterwegs bin!

Schuld ist der Karoo 2. Der hat mich reingelegt: Einfach und selbsterklärend umgarnte mich das Teil zunächst. Fand und verband sämtliche Sensoren und mein Smartphone wie von selbst. Verband sich mit Strava & Co. Legte mir meine Komoot-Routen ungefragt bereit – und sagte dann (mit lustigem US-Akzent) im Bluetooth-Kopfhörer spanische Gassen und Kreisverkehre präzise an.

Wer sucht, wenn das geht, schon vorab nach dem Display-Umgestaltungs-Protokoll? Eben. Und weil man das selten braucht, liegt es - absolut logisch - in tieferen Ebenen vergraben. Entscheidet man dann in der Pampa, nicht Durchschnittswatt und gefahrene Höhenmeter, sondern Strecke und Fahrzeit neben der Leistung sehen zu wollen, scheitert man natürlich. Erst recht, wenn die Lesebrille daheim liegt - bei dem Display brauche ich sie ja echt nicht. Aber für die Manual-Googelei am Handy dann schon … Schuld ist also wer? Genau: der Hersteller. Ganz klar. 

Natürlich kann der Hammerhead das alles. Es geht ganz leicht. Man müsste nur vor dem ersten Losfahren zwei Minuten denken und drei Minuten hinschauen. Aber dann liebt man ihn. Auch, wegen anderer Features: dem bei Regen abschaltbaren Touchscreen. Dem Adapter für andere Lenkerhalterungen. Dafür, dass der Karoo zwar warnt, wenn er – etwa in engen Serpentinen – kurz den Überblick verliert, aber zuerst neu rechnet und erst dann „bitte wenden“ quäkt: Das gibt‘s auch anders, schlechter.

Also smart, präzise und schnell. Da sieht man über ein echtes Manko gern hinweg: Die fehlende App. Registrieren & Co geht über die Hammerhead-Webseite. Ja eh, das US-Label kooperiert mit Suunto. Auf deren App kann man Fahrt-Daten auch korrigieren. Aber irgendwie ist das komisch.

Noch was zu meckern? Ja: Der Akku hält statt versprochener 12 nur etwas länger als acht Stunden. Reicht eigentlich immer – und ist eine spezielle Ausprägung des Layer-8-Problems, ein altersbedingtes: Im Lesebrillenalter dreht man die Helligkeit rauf. Denn diese Einstellungen habe ich sofort gefunden.

Tom Rottenberg – Rotte – rennt und rollt, wenn er nicht als freier Journalist und PR-Berater arbeitet und sich Gedanken übers Rennen und Rollen, sprich Radfahren, macht.

Rotte rollt – von Tom Rottenberg
Fr | 24. Mär 2023

Hartnäckig hält sich in manchen Kreisen der Glaube, dass Rennradfahren weh tun muss. Doch es gibt auch diesen Ansatz: Frag nicht, was du für dein Rad tun kannst, sondern was dein Rad für dich tun kann. Gutes Bike Fitting gibt die Antwort.

„Das ist halt so.“ Der Radverkäufer lächelte kalt: „Rennradfahren“, dozierte er, „tut weh. Der Schmerz gehört dazu.“ Es waren die 1980er Jahre. Ich saß – zum ersten Mal – auf einem Rennrad. Ein Puch Mistral. Wunderschön. Aber beim ersten Draufsetzen spürte ich: No way! Der Sattel. Die Schultern. Der Nacken. Das Kreuz: Aua! Dabei war ich nur durch die Fahrradabteilung gerollt: Den Sattel hatte der Verkäufer, angeblich einst Tour-Fahrer, – so er – „voll perfekt“ eingestellt: „Den Rest musst du durchstehen.“ 
Ich bin mit dem Mistral höchstens bis zur Schule gefahren. Eine Qual. „Das ist halt so: Schmerz gehört dazu.“ Bald ließ ich es.

Der Satz kommt auch heute noch. Er wird geglaubt. Die zentralen Wahrheiten des Universums gelten eben ewig: Die Erde ist eine Scheibe. Rennradfahren tut weh. Ich bin Optimist: Irgendwann wird sich herumsprechen, dass zumindest die zweite These falsch ist. Dass es anders geht. Ganz anders.

„Macht euch das Fahrrad untertan“ - man kann es einstellen. Anpassen. Quasi zuschneiden. Detailliert, präzise, individuell auf den Punkt. Wie ein Kleid, wie einen Anzug: Wer bei Designer X oder Super-Brand Y satte Summen hinlegt, kauft zwar „von der Stange“, lässt dann aber ändern: Beinlänge, Taille, Ärmel … ganz selbstverständlich.

„Ändern“ mit Rad heißt „Bike Fitting“. Statisch gemessene Maße und Proportionen sind da nicht einmal zweitrangig. Weil auch idente Morphologie und Parameter am Rad komplett unterschiedliche Positionen ergeben können. Und nur um die geht es: Da – „am Bock“ – wird eingerichtet, verschoben, gehoben, gesenkt. Oft entscheiden Nuancen. Es geht um Millimeter, aber viel mehr um Fingerspitzengefühl. Das des Fitters, nicht der aktuell omnipräsenten KI. Es wird justiert, evaluiert, adaptiert - und nochmal probiert. Bis es passt. Das Rad zu dir, nicht du zum Rad.

Weil sich – sogar für Profis – die errechnete perfekte Aero-Position manchmal grausam, unnatürlich und unfahrbar anfühlt. Weil Menschen unterschiedlich sind. Im Detail. Aber genau diese Details machen den Unterschied aus: Schön schnell fahren wird nur, wer gut, zufrieden und gern am Rad sitzt.

Schmerzen führen zum Gegenteil von „gut, zufrieden und gern“. Doch sie sind alles andere als notwendig. Das ist so. Und zwar wirklich.

Tom Rottenberg – Rotte – rennt und rollt, wenn er nicht als freier Journalist und PR-Berater arbeitet und sich Gedanken übers Rennen und Rollen, sprich Radfahren, macht.

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