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N+1 – von Kurt Stefan
Fr | 01. Sep 2023

Wir stellen heute ein Fahrrad vor, bei dem es ganz rational nur darum ging, das schnellstmögliche Ironman-taugliche Gefährt für eine neue Bestleistung zu bauen. Wir hören bei einem Rad dieser Preisklasse und dem Begriff rational schon das laute Lachen. Aber ja, der Ansatz war wirklich ganz sachlich, ganz zielorientiert. Daher haben wir uns dem Thema auch mathematisch genähert und dazu diese Formel entwickelt: H + E + R + C = Vmax.

Wir haben uns also der Themenstellung hochmathematisch genähert: Integralrechnung, Trigonometrie - nichts war uns kompliziert genug. Sogar einen Meteorologen haben wir zu Rate gezogen. Nicht wegen der Strömungslehre, sondern weil er im Unterschied zu uns mit Trigonometrie und Integralrechnung wirklich was anzufangen weiß.

Am Ende hat sich das alte KISS-Prinzip - Keep it simple, stupid - durchgesetzt und wir haben mit einer einfachen Addition das Auslangen gefunden. Wir haben das Beste unserer Lieferanten hergenommen und VONHAND zu diesem Traumrad aufgebaut. Den TT-Rahmensatz Hanzō in Sonderlackierung von Factor, das Scheibenrad und Vorderad von ENVE, mit Naben von Carbon-Ti, die leichten und extrem steife Aldhu Carbon Kurbelgarnitur mit INSpider-Powermeter von Rotor - und alles was wir von CeramicSpeed bekommen konnten: Steuersatz- und Tretlager, OverSized Pulley Wheel-System und beschichtete Keramik-Kugellager in den Naben, vorne und hinten.

Also: Hanzō + ENVE + Rotor + CeramicSpeed = Maximale Geschwindigkeit!

Rahmensatz: Factor HANZŌ Toray® & Nippon Graphite® Pan-Based Fiber mit 12x142mm Steckachse, Interne Kabelführung nur für elektrische Schaltung, CeramicSpeed SLT Steuersatz, max. Reifenbreite 28mm

Gabel: Factor Wide Stance (flat mount) für 12x100mm Steckachse

Cockpit: Factor Mono-Riser Aerobar System

Tretlager: CeramicSpeed

Sattel: GebioMized

Gruppe: Shimano Utegra Di2 mit CeramicSpeed OSPW, Kassette 11-34Z, KMC-Kette von CeramicSpeed

Kurbel: ROTOR Aldhu Carbon 2x12 , 52|36Z

Laufräder: VONHAND mit ENVE SES 5.4 Carbon-Felge mit Carbon-Ti X-Hub Naben vorne und ENVE Disc hinten, mit CeramicSpeed Lagern

Reifen: Vittoria Corsa

Rotte rollt – von Tom Rottenberg
Fr | 11. Aug 2023

Zu behaupten, dass es keine Rennrad-Rowdies gibt, wäre gelogen. Und leider werden es gefühlt mehr. Das mathematisch zu relativieren, hilft niemandem. Vielleicht hilft, es manchmal anzusprechen. Ein Versuch, ein unangenehmes Thema in der Rennrad Community zu platzieren.

Mathematisch wäre die Sache leicht erklärt: Der Großteil der Menschen ist gut. Freundlich, höflich, rücksichtsvoll. Auch im Verkehr - unabhängig vom Transportmittel: In der S-Bahn, im Stau auf der Tangente, im SUV, der von hinten anrauscht – oder auf dem Rennrad: 85, 90, 95 vielleicht sogar 99 Prozent verhalten sich absolut korrekt.

Wie viele wirklich? Egal. Man vergisst sie sofort. Im Gegensatz zu den anderen: Den Nahtod-Überholern. Den zu Laut-Telefonierern. Den Rettungsgassen-Befahrern. Aber auch den Rennradlern, die sich wochenends am Donaukanal oder auf der Donauinsel ihr - vermeintliches – Recht auf 35 km/h drängelnd, schneidend und schimpfend durch Spaziergängergruppen erpöbeln wollen.

Rennradlern tut das, was jetzt kommt, weh. Aber: Ja es gibt diese „Kollegen“ (selten „-innen“). Und: ja, sie werden mehr. Auch wenn sich das „Bubble“-Bewusstsein, das „Wir“-Gefühl, sträubt: Das gute R(ennr)ad steht nicht für den guten Charakter des Fahrers. Vielleicht war das früher anders, aber in jeder Gruppe gilt: Je mehr sie „in der Mitte der Gesellschaft“ ankommt, umso repräsentativer für diese Gesellschaft werden die Akteure. Das Rennrad hat die Mitte erreicht.

Darum: Ja, es gibt sie, die Ich-bin-der-Nabel-des-Universums-Fahrer. Die „Gleicheren“. Die, für die durch soziale Intelligenz nachvollziehbare Regeln nicht gelten. Ihr Fahrstil zeigt, wer und was sie sind: Ärsche auf Rädern. Nicht nur im wörtlichen Sinn. Leute, mit denen man weder mitgenannt noch mitgemeint werden will. Aber genau das wird man: „Mit euch Rennradfahrern wird es immer schlimmer.“

Das Blöde: Ganz falsch ist das nicht. Schuld ist die Mathematik: Wächst eine Gruppe, steigt nicht der Anteil aber doch die Anzahl jeder ihrer Teilmengen. Egal wie gut sich also 90, 95 oder sogar 99 Prozent verhalten: Ja, es sind tatsächlich mehr Vollpfosten unterwegs. Dazu kommt: Während Auto-Raser selten auf gemeinsamen Verkehrsflächen mit Fußgängern auftauchen, ist der Rennradler, der Kinder abdrängt, sehr nah, spür- und (beinahe) greifbar.

Was tun? Hm. Schön- und Kleinreden wäre gelogen. Gegen Emotion und Erlebtes sind Mathematik und Statistik sowieso machtlos – und Whataboutismen sind Brandbeschleuniger.

Draußen, auf der Straße, ist das vielleicht anders: Spinner kann man zur Rede stellen - manchmal hilft das sogar. Und Schwächeren mit dreifacher Höflich- und Achtsamkeit begegnen. Gerade Verängstigte bemerken das - und erst wenn sie selbst erzählen, dass es „auch die anderen Rennradler“ gibt, lässt sich das Bild zurechtrücken.

Tom Rottenberg – Rotte – rennt und rollt, wenn er nicht als freier Journalist und PR-Berater arbeitet und sich Gedanken übers Rennen und Rollen, sprich Radfahren, macht.

Rotte rollt – von Tom Rottenberg
Fr | 16. Jun 2023

„Bikepacking“ ist ein ganz großer Trend. Doch wer mit dem Rad verreisen will, muss sich mit diesem Begriff auch „andersrum“ herumschlagen: Das Bike mit Bahn, Bus oder Flieger auf Reisen zu schicken, ist nämlich alles andere als unkompliziert.

„Frechheit siegt“ ist immer eine Option, mitunter die beste: Wer einen überdimensionalen Plastiksack aus der Tasche kramt, Vorder- und Hinterrad abmontiert und gemeinsam mit dem Rahmen in die Plastikplane stopft, kann nämlich sagen: „Das ist kein Fahrrad – sondern Gepäck.“

Gepäck ist erlaubt. Ist - gängige Maße vorausgesetzt – weder anmelde- noch reservierungs- oder gar gebührenpflichtig. Es fällt weder unter Fahrräder-am-Zug-Quoten noch Fahrradabstellplatz-Regelungen: Dass in einer Tasche, einem Koffer oder in einer Folie kein (zerlegtes) Fahrrad verstaut sein darf, steht nirgendwo.           

Im Gegenteil: Die Schweizer Bahn vertreibt robuste, aber kompakt auf A4-Format zusammenfaltbare „Radsäcke“ sogar selbst. Ähnliche – weniger feste – Taschen gibt es in Webshops ab 35 Euro.

Warum das hier steht? Mein letzter Bike-Trip scheiterte beinahe im Vorfeld. Denn das Rad mit Bahn, Bus oder Flieger mitzunehmen, ist logistisch und organisatorisch oft mühsam - und ungewiss.

Klar: Es geht. Es wird auch besser. Langsam. Sehr langsam. Denn der Dschungel an Regeln und Einschränkungen ist unübersichtlich. Höflich gesagt.

Am einfachsten ist Fliegen: Sport- oder Sondergepäck anmelden – und bezahlen. Und hoffen, dass das Rad trotz (teurem) Spezialkoffer heil ankommt.

Aber ich wollte klimaverträglicher mit der Bahn unterwegs sein. „Es ist kompliziert.“ Ja, bei Fernzügen gibt es – wenige und reservierungspflichtige – Radplätze. Am Railjet, im IC, bei der Westbahn. Sogar im Nightjet. Wobei: bei Letzterem nur für einige Ziele. Mitnahme-Plätze ins Schlafabteil sind rar - und gefühlt weg, bevor Tickets buchbar sind. Regionalzüge? S-Bahn? Ob dort ein Rad-Platzerl frei ist, ist Glückssache - Bike-Tickets muss man dennoch vor Fahrtantritt zahlen.

Vielleicht im Bus? Fernbusse funktionieren wie Fernzüge: rechtzeitig reservieren. Wer zu spät bucht, hat Pech. Immerhin: Man weiß es vorher. Und ob regionale Busse Fahrräder am Heck oder im Anhänger mitnehmen, lässt sich recherchieren. Mühsam. Weil: Jeder Verkehrsverbund tickt anders. Erstens was für Räder offene Buslinien sind, zweitens was die Abwicklung betrifft: Hier muss reserviert werden, dort gilt first-come-first-ride – anderswo gibt es No-Bike-Zeiten. Und wo das Rad ins Fahrzeug darf, entscheidet der Fahrer, wenn alle Plätze belegt sind: Das geschieht mitunter recht - sagen wir mal – „subjektiv“.

Kurz: Rad-Reisen ist ein Lotteriespiel. Deshalb die Flinte ins Korn zu werfen, ist aber keine Option. Nicht für mich. Ich werde im Zug fahren, durch verschiedene Länder, mit unterschiedlichen Linien und mein Fahrrad in einem Schweizer Plastiksack verpacken. Obwohl wir in Wien ja einen anderen Ausdruck für diese Art von Reisetasche haben. Pssst.

Tom Rottenberg – Rotte – rennt und rollt, wenn er nicht als freier Journalist und PR-Berater arbeitet und sich Gedanken übers Rennen und Rollen, sprich Radfahren, macht.

Rotte rollt – von Tom Rottenberg
Fr | 05. Mai 2023

Experten wie DCrainmaker testen Elektronik wie Experten. Normalos nutzen Elektronik wie Normalos. Ich bin ein Normalo und hab Hammerheads Karoo2 auf seine Für-Ahnungslose-Tauglichkeit getestet. Resümee: Wie alle Elektronik hat auch er ein Layer-8-Problem!

In der IT-Welt gibt es einen fiesen Terminus: Layer-8-Problem. Sagt der Techniker Layer-8 atmet der beratene Laie auf: Das klingt nach knifflig. Tatsächlich hakt es bei Layer-8 aber weder an Gerät noch System – sondern am User.

Wieso eine Radcomputerrezension so beginnt? Ganz einfach: Weil ich beim Karoo2 ein typisches Layer-8-Thema hatte. Denn der gehypte Radcomputer von Hammerhead ist in Wirklichkeit natürlich super, kann alles, was so ein Ding können soll. Sogar mehr. Aber: Ich bin „Layer-8“.

Der Grund? Mein vermeintliches Vorwissen. Man fuhr schon andere Computer – und liest daher grundsätzlich keine Betriebsanleitung, sondern fährt munter los. Das rächt sich unterwegs. Etwa weil man keinen Tau hat, wo und wie man Displayanzeigen umkonfigurieren könnte: Die Durchschnittssteigung ist mir egal – ich will hier lesen, wie lange ich unterwegs bin!

Schuld ist der Karoo 2. Der hat mich reingelegt: Einfach und selbsterklärend umgarnte mich das Teil zunächst. Fand und verband sämtliche Sensoren und mein Smartphone wie von selbst. Verband sich mit Strava & Co. Legte mir meine Komoot-Routen ungefragt bereit – und sagte dann (mit lustigem US-Akzent) im Bluetooth-Kopfhörer spanische Gassen und Kreisverkehre präzise an.

Wer sucht, wenn das geht, schon vorab nach dem Display-Umgestaltungs-Protokoll? Eben. Und weil man das selten braucht, liegt es - absolut logisch - in tieferen Ebenen vergraben. Entscheidet man dann in der Pampa, nicht Durchschnittswatt und gefahrene Höhenmeter, sondern Strecke und Fahrzeit neben der Leistung sehen zu wollen, scheitert man natürlich. Erst recht, wenn die Lesebrille daheim liegt - bei dem Display brauche ich sie ja echt nicht. Aber für die Manual-Googelei am Handy dann schon … Schuld ist also wer? Genau: der Hersteller. Ganz klar. 

Natürlich kann der Hammerhead das alles. Es geht ganz leicht. Man müsste nur vor dem ersten Losfahren zwei Minuten denken und drei Minuten hinschauen. Aber dann liebt man ihn. Auch, wegen anderer Features: dem bei Regen abschaltbaren Touchscreen. Dem Adapter für andere Lenkerhalterungen. Dafür, dass der Karoo zwar warnt, wenn er – etwa in engen Serpentinen – kurz den Überblick verliert, aber zuerst neu rechnet und erst dann „bitte wenden“ quäkt: Das gibt‘s auch anders, schlechter.

Also smart, präzise und schnell. Da sieht man über ein echtes Manko gern hinweg: Die fehlende App. Registrieren & Co geht über die Hammerhead-Webseite. Ja eh, das US-Label kooperiert mit Suunto. Auf deren App kann man Fahrt-Daten auch korrigieren. Aber irgendwie ist das komisch.

Noch was zu meckern? Ja: Der Akku hält statt versprochener 12 nur etwas länger als acht Stunden. Reicht eigentlich immer – und ist eine spezielle Ausprägung des Layer-8-Problems, ein altersbedingtes: Im Lesebrillenalter dreht man die Helligkeit rauf. Denn diese Einstellungen habe ich sofort gefunden.

Tom Rottenberg – Rotte – rennt und rollt, wenn er nicht als freier Journalist und PR-Berater arbeitet und sich Gedanken übers Rennen und Rollen, sprich Radfahren, macht.

Rotte rollt – von Tom Rottenberg
Fr | 24. Mär 2023

Hartnäckig hält sich in manchen Kreisen der Glaube, dass Rennradfahren weh tun muss. Doch es gibt auch diesen Ansatz: Frag nicht, was du für dein Rad tun kannst, sondern was dein Rad für dich tun kann. Gutes Bike Fitting gibt die Antwort.

„Das ist halt so.“ Der Radverkäufer lächelte kalt: „Rennradfahren“, dozierte er, „tut weh. Der Schmerz gehört dazu.“ Es waren die 1980er Jahre. Ich saß – zum ersten Mal – auf einem Rennrad. Ein Puch Mistral. Wunderschön. Aber beim ersten Draufsetzen spürte ich: No way! Der Sattel. Die Schultern. Der Nacken. Das Kreuz: Aua! Dabei war ich nur durch die Fahrradabteilung gerollt: Den Sattel hatte der Verkäufer, angeblich einst Tour-Fahrer, – so er – „voll perfekt“ eingestellt: „Den Rest musst du durchstehen.“ 
Ich bin mit dem Mistral höchstens bis zur Schule gefahren. Eine Qual. „Das ist halt so: Schmerz gehört dazu.“ Bald ließ ich es.

Der Satz kommt auch heute noch. Er wird geglaubt. Die zentralen Wahrheiten des Universums gelten eben ewig: Die Erde ist eine Scheibe. Rennradfahren tut weh. Ich bin Optimist: Irgendwann wird sich herumsprechen, dass zumindest die zweite These falsch ist. Dass es anders geht. Ganz anders.

„Macht euch das Fahrrad untertan“ - man kann es einstellen. Anpassen. Quasi zuschneiden. Detailliert, präzise, individuell auf den Punkt. Wie ein Kleid, wie einen Anzug: Wer bei Designer X oder Super-Brand Y satte Summen hinlegt, kauft zwar „von der Stange“, lässt dann aber ändern: Beinlänge, Taille, Ärmel … ganz selbstverständlich.

„Ändern“ mit Rad heißt „Bike Fitting“. Statisch gemessene Maße und Proportionen sind da nicht einmal zweitrangig. Weil auch idente Morphologie und Parameter am Rad komplett unterschiedliche Positionen ergeben können. Und nur um die geht es: Da – „am Bock“ – wird eingerichtet, verschoben, gehoben, gesenkt. Oft entscheiden Nuancen. Es geht um Millimeter, aber viel mehr um Fingerspitzengefühl. Das des Fitters, nicht der aktuell omnipräsenten KI. Es wird justiert, evaluiert, adaptiert - und nochmal probiert. Bis es passt. Das Rad zu dir, nicht du zum Rad.

Weil sich – sogar für Profis – die errechnete perfekte Aero-Position manchmal grausam, unnatürlich und unfahrbar anfühlt. Weil Menschen unterschiedlich sind. Im Detail. Aber genau diese Details machen den Unterschied aus: Schön schnell fahren wird nur, wer gut, zufrieden und gern am Rad sitzt.

Schmerzen führen zum Gegenteil von „gut, zufrieden und gern“. Doch sie sind alles andere als notwendig. Das ist so. Und zwar wirklich.

Tom Rottenberg – Rotte – rennt und rollt, wenn er nicht als freier Journalist und PR-Berater arbeitet und sich Gedanken übers Rennen und Rollen, sprich Radfahren, macht.

Rotte rollt – von Tom Rottenberg
Fr | 24. Feb 2023

Natürlich würden Simon zwei Kilo weniger Körpergewicht auch am Rad helfen. Nur: Soll er deshalb auf all die Keramiklager verzichten, die ihm nachweislich 15 Watt sparen?

Lasst uns über Simon reden. Simon heißt in Wirklichkeit anders - und das hat einen Grund: Simon ist Teil meiner „Bubble“, wäre also leicht zu identifizieren. Eigentlich wäre das kein Problem: Simon ist ein netter Kerl – und begeisterter Radfahrer.

Allerdings hat er eine nervige Eigenschaft: Er gibt Ratschläge. Ständig und unaufgefordert. Als Frau würde ich „mansplaining“ sagen. Allerdings belehrt – und nervt – Simon geschlechtsneutral.

Was das mit Radfahren zu tun hat? Viel: Simon erklärt am liebsten, was man am Rad alles besser machen könnte. „Am“ bedeutet „auf dem“ – also Tuning. Simon referiert, zeigt – und rechnet vor, wieviel Watt, wie viele Sekunden das Einsparen von soundso viel Gramm pro soundso vielen Kilometern bringt: Er missioniert. Gnadenlos.

Nicht, dass Simon unrecht hätte. Im Gegenteil! Wenn Simon ultraleichte Komponenten lobt, über Hochprofilfelgen, Aero-Laufräder und -rahmen, ultraleichte Naben und bechichtete Ketten jubelt, Reifendimensionen und -gummimischungen besingt, schlackern mir die Ohren. X-Prozent weniger Rollwiderstand bringen Y Prozent Vortrieb: 

Bumm! Die paar Gramm bei Flaschenhalter, Steckachse, Sattelrohr, Kurbel und Lenkervorbau ergeben kumuliert … : Oida! In Lenker und Rahmen verlegte Züge, der aerodynamische Halter für den Super-Radcomputer sparen an Luftwiderstand … : Hui!

Simon weiß: Masse fällt nur bergauf oder an bewegten Teilen ins (sic!) Gewicht. Reibung frisst und kostet Energie und Kraft. Darauf gilt es zu achten. Simon achtet. Aber sowas von!

Ich gebe zu: Wenn ich Simons weiß beschichtete Kette und extragroßen Schaltröllchen sehe, hyperventiliere ich. Das macht mich gelb vor Neid. Ab und zu weine ich auch: Simon und ich sind in etwa gleich proportioniert. Manchmal sagt er: „Probier es: Fahr!“

Und – alter Schwede! – nach dem Unterschied, den all das Kleinzeug ausmacht, könnte ich Opern schreiben.

Trotzdem bin ich in normaler Kluft mit normalem Helm auf meinem normalen Straßenrad schneller als er. Denn Simon wiegt 15 Kilo mehr als ich. Lebt, höflich gesagt, „eher undiszipliniert“. Ich spreche das nicht an – Simons Frau schon: „Iss endlich gesund! Finger weg vom Zuckerzeug – da verlierst sofort zwei Kilo! Beim Rad ersparst dir so 2.000 Euro!“, höhnt sie. Simon wird dann grantig.

Ich mische mich nicht ein. Denn Simons Frau hat recht - aber doch den falschen Blickwinkel: Ich esse und lebe zwar gesünder als Simon. Aber wenn ich es mir leisten könnte, sähe mein Rad aus wie seines. Mindestens: Ich wählte nämlich nicht das „oder“, sondern das „und“.

Tom Rottenberg – Rotte – rennt und rollt, wenn er nicht als freier Journalist und PR-Berater arbeitet und sich Gedanken übers Rennen und Rollen, sprich Radfahren, macht.

Zu Gast im Salon – von Kurt Stefan
Fr | 09. Sep 2022

Am 18. August war Jorge Larco alias FETTE bei uns zu Gast und hat erstmals seine Bilder, die Szenen aus dem Pro-Peloton zeigen, ausgestellt. Wie kam er aufs Zeichnen, warum FETTE, wie entstehen die Zeichnungen? Und vor allem: Warum zeichnet er Szenen aus dem Radsport und nicht Katzen? Tom Rottenberg wollte das und mehr wissen und hat ihn interviewt.

Tom: Du hast uns geschrieben, wie es zu deinen Rad-Zeichnungen kam. Schuld sei der Lockdown! Ist das wirklich die Geschichte?

Jorge: Ja, genau so war es! Ich bin Architekt und alle meine Projekte waren gestoppt. Der Lockdown in Ecuador war sehr streng, ich hab für einen Großteil der drei Monate meine Wohnung so gut wie nie verlassen. Ich musste irgendetwas tun, außer auf der Rolle Rad zu fahren. So begann ich wieder zu zeichnen. Erst ganz kleine Schwarz-Weiß Bilderchen. Dann hat Anna (Anm.: seine Frau) den Instagram account eingerichtet, ein Freund meinte, ich sollte doch die einprägsamsten Momente aus dem Pro-Peloton der letzten Jahre hochladen …

T: Aber wieso Radrennen? Katzenbilder bringen doch mehr Klicks (lacht)

J: Im Ernst, ich mochte Radrennen eigentlich gar nicht so. Ich fand, die stehen eher für die Schattenseiten des Radsports: extremer Wettbewerbsdruck, Aggressivität, es geht nicht ums Radfahren, sondern nur ums Gewinnen. Aber als ich mir die Rennen vermehrt ansah, erkannte ich auch andere Aspekte: Teamwork, gegenseitige Zusammenarbeit und Unterstützung auch über Teamgrenzen hinweg. Und es gibt echte Charaktere im Peloton. Diese Aspekte wollte ich mit meinen Zeichnungen in den Vordergrund stellen. Und: Katzen mag ich nicht so (lacht)

T: Du bist selbst Radfahrer. Aber du kommst nicht aus der Rennradszene?

J: Ich kam übers Fixie zum Radfahren. Quito ist keine sehr fahrradfreundliche Stadt: viel Verkehr, keine Rücksicht auf Radfahrer, und ziemlich hügelig. Aber ich liebte es, auch wegen des Zusammenhalts in der Community.

T: … und dann ist da natürlich die Frage, nach deinem Künstlernamen: „Fette“?

J: (lacht) Mein Spitzname in Ecuador war “Gordilla“ – gordo heisst fett auf spanisch. Ich war wirklich dick! Aber alle in meiner Rennradgruppe waren eher „rundlich“. Daher nannten wir uns „gordos“, „die Fetten“. Und so nannte ich mein Projekt FETTE. Auch, weil ich anonym bleiben wollte.

T: Nur zu Klarstellung: Du willst am liebsten anonym bleiben, schreibst deinen vollen Namen also nirgendwo dazu. Ok. Aber du wählst dir einen Künstlernamen, den andere Leute, ich etwa, als Beleidigung verstehen würden …

J: Ja, aber in Ecuador versteht niemand Deutsch. Also ist FETTE perfekt: kurz, einfach, und einprägsam.

T: Du zeichnest meist Szenen aus der Rennradwelt, die ikonisch sind, die sich ins Gedächtnis einprägen. Aber: Wie wählst du die aus? Etwa die, als Vingegaard wartet…

J: In dem Fall wusste ich es sofort – die Szene wird in Erinnerung bleiben: Der Führende wartet auf seinen ersten Verfolger. Verrückt! Sonst mach ich viele Screenshots von Ereignissen während des Rennens, entscheide mich danach. Und erzähle sie aus meiner Sicht.

T: Und wie Entstehen die Bilder arbeitstechnisch: Machst du die Screenshots gleich? Oder nimmst du das ganze Rennen auf und suchst danach Szenen? Und wie geht das dann weiter: Du zeichnest die Szene händisch ab - oder sind das bearbeitete TV-Bilder?   

J: Das kommt ein wenig aufs Motiv an. Zum Beispiel die Szene mit Vingegaard und Pogačar. So, wie am Bild dargestellt, gab es sie nicht, es gab keinen Bildausschnitt im Fernsehen, wo man Pogačar am Boden und Vingegaard wartend sah. Ich habe sie zusammengestellt, um die Geschichte zu erzählen. Die Zeichnungen sehen minimalistisch aus, aber ich hab bis zu 20 Ebenen in Photoshop.

T: Reagieren die Profis auf deine Arbeiten? Gibt es da Feedback?

J: Oh ja! Es ist für mich oft noch surreal, was es auslöst, wenn einer von ihnen ein Bild von mir teilt. Ich glaub, der erste war Chris Froome, aber mittlerweile machen es viele. Egan Bernal, Roglič, McNulty, Pogačar, Pöstlberger, … Manche bedanken sich auch. Freunde von ihnen, Teams bestellen Bilder.

T: Memo an mich und uns alle: Wenn die Profis die Originale der Bilder haben wollen, wenn Peter Sagan und Co ihm auf IG folgen und seine Bilder teilen, gehen die Preise rauf – das heißt, ich sollte deine Arbeiten jetzt kaufen …
Im Ernst: Kannst du von deinen Bildern schon leben?

J: Nein, leider noch nicht. Aber ich hoffe, es wird einmal soweit sein.

T: Wie funktioniert das denn mit dem Verkauf? Du druckst einfach 5.000 Kopien eines Bildes aus - und wenn die weg sind, nochmal 5.000?

J: Natürlich nicht! Nein, wir machen nur 13 Kopien eines jeden Motivs und drucken es auf ein hochwertiges Papier für Kunstdrucke.

T: Danke, FETTE! Ach ja, ausgewählte Zeichnungen gibt es auch hier zu kaufen!

N+1 – von Kurt Stefan
Fr | 26. Aug 2022

MIN.D steht bei OPEN für MINimal Design. Weil Andy und Gerard das Design ihres klassischen MIN.D aber noch nicht MINimal genug war, haben sie im Frühjahr 2022 das OPEN MIN.D California vorgestellt. Richtig, wie der Name vermuten lässt, kommt es aus Kalifornien, wird dort von Hand in der selben R&D Einrichtung gebaut, mit der Gerard Vroomen schon die legendären Cervélo-Modelle RCA und R5CA entwickelt hat. Das sind jene Räder, mit denen Cervélo Anfang der 10er-Jahre den Leichtbau in der Fahrradindustrie neu definiert hat.

Der Rahmen ist fast 100g leichter und wesentlich steifer und direkter zu fahren als die Ursprungsvariante des MIN.D. Außer im Bereich der Sattelstütze, wo der Flex noch einmal verbessert wurde. Keine 100 Rahmen können pro Jahr von Hand hergestellt werden - ein wirklich exklusives Produkt. Wir haben uns für die Variante mit minimal design (sic) entschieden: Raw Carbon mit Logo-Aufdruck Schwarz auf Schwarz.

Aber halt - ein wenig müssen wir auch noch zum OPEN MIN.D generell sagen. Wir finden, mit diesem Straßenrennrad haben Andy und Gerard ihren Designanspruch, keine Gimmicks einzubauen, so kompromisslos wie noch nie umgesetzt.

Klassisch in der Ästhetik dank schlanker Rohre, radikal in der Umsetzung mit integrierter Sattelstütze. Trotz des geringen Gewichts zeigt das MIN.D eine unglaublich direkte Kraftübertragung. Aber dann kommt der außergewöhnliche Fahrkomfort! Zum einen dank bis zu 32mm breiter Reifen, die der Rahmen aufnimmt. Zum anderen dank des umstrittensten Merkmals, der integrierten Sattelstütze: Das Sattelrohr misst nur 25mm im Durchmesser. Und da keine Sattelstütze im Sattelrohr steckt, was das System nochmals wesentlich versteifen würde, bietet diese Konstruktion den höchstmöglichen Komfort im Sattel. Unvergleichlich!

Rahmensatz: Flat-mount Carbon Rahmen mit 12x142mm Steckachse von Carbon-Ti, interne Kabelführung nur für elektrische und mechanische Schaltung (2x mech nur Shimano), max. Reifenbreite 32mm
integierte Sattelstütze mit bis zu 15mm Höhenverstellung
Gabel: R-Turn(flat mount) für 12x100mm Steckachse
Gewicht inkl. Gabel: 1.110g

Gruppe: SRAM Force AXS 2x12, Kassette 10 - 33Z  
Kurbel: ROTOR Aldhu Carbon 2x12, 48|35Z
Bremsen: SRAM Red AXS hydraulic Disc
Tretlager: Rotor

Cockpit: ENVE Vorbau und ENVE AR Lenker

Laufräder: VONHAND mit ENVE AR3.4 Carbon-Felgen und Carbon-Ti x-hub Naben

Reifen: ENVE SES (wahlweise tubeless oder mit Schlauch)

Sattel: gebioMized

Zu Gast im Salon – von Kurt Stefan
Fr | 05. Aug 2022

Mit unglaublicher Liebe zum Detail und großem Einfühlungsvermögen erzählt Jorge Larco alias FETTE in seinen Bildern und Illustrationen die Ereignisse der Tour de France 2022, Hommes et Femmes, nach. Und vieler anderer Radsportereignisse. Als wir die Bilder zum ersten Mal sahen, waren wir begeistert. So wie über 50.000 Menschen, die ihm auf Instagram folgen. Oder wie Tadej Pogačar, der sie mit Begeisterung teilt.

Am 18. August ab 18:30 stellt FETTE einige seiner besten Werke - wie zum Beispiel das Bild oben, das das ganze Drama der heurigen Tour de France so treffend veranschaulicht - bei uns in der VELETAGE aus. Aber du erfahrst auch, was ihn aus Ecuador nach Wien gebracht hat, was die Pandemie (ja, die spielt auch da hinein) mit seinen Bildern zu tun hat, wie und wo du welche käuflich erwerben kannst. Und was Tom Rottenberg, der ihn interviewen wird, eben noch so einfällt.
Wer sich schon vorher einen Überblick über seine Werke verschaffen will, schließt sich am besten den über 50.000 Menschen auf Instagram an.

Rotte rollt – von Tom Rottenberg
Fr | 05. Aug 2022

Wer oder was ist eigentlich Jumbo Visma? Nicht, dass das wirklich wichtig wäre. Denn so wie Jonas Vingegaard und Wout van Aert bei der Tour de France gefahren sind, brauchen sie sich wahrlich nicht von der Seite anreden lassen. Ganz abgesehen davon, dass Profisportler:innen sehr genau wissen, wer ihre Gehälter zahlt. Und auf ihren Trikots aufscheint. Aber unter manchen Umständen sollte man es wissen.

Also: Die Viererbande - zwei Männer, zwei Frauen - die ich bei Greifenstein beim Wassertanken traf und mit dieser Frage konfrontierte, sah mich ratlos an: „Woher sollen wir das wissen?“ - Naja, ihr seid in Jumbo-Visma-Outfits unterwegs. – „Ist halt ein geiles Team.“ – Eh, drum frag ich ja …

Das Gespräch endete unentschieden, ich googelte daheim: Jumbo ist der niederländische Billa, Visma ein norwegisches IT-Unternehmen. Und: Nein, natürlich muss man das nicht wissen, wenn man dem einstigen Rabobank-Team zujubelt. Aber: Deren Logos großformatig auf der Brust zu tragen, ist halt was anderes. Überspitzt formuliert: Stünde „KKK“ auf meinem Trikot, sollte ich wissen, welche Botschaft ich verbreite.

Versteh mich nicht falsch: Möge jede und jeder in dem G‘wand glücklich werden, in dem er oder sie sich wohl fühlt. Aber ein bisserl komisch ist es schon, wenn Menschen mit – höflich gesagt – Durchschnittskörpern mit – noch höflicher gesagt – Durchschnittsleistungen in Profimontur antreten. Obwohl ich sowas auch in meiner Familie hab: Mein Neffe geht ausschließlich im Chelsea-Dress kicken. Der Bub ist halt neun….

Aber eigentlich hatte ich geglaubt, dass sich das Thema Profiteam-Radtrikots und Hobby-Radler:innen überlebt hat. Ja, früher radelte halb Österreich als Elk-Haus: Es gab im Sportgeschäft halt kaum was anderes. Aber schon zu Jan-Ulrich-Zeiten musste man sich beim Bergaufsterben in Hadersfeld hin und wieder spöttisch fragen lassen, ob das EPO aus sei – vom Team Telekom sei man schließlich Anderes gewohnt. „Ach, du zahlst dafür, Litfaßsäule zu sein?“ - und weg waren sie, die Spötter, in ihren schicken, stylischen Outfits.

Ja eh: Auch mit Pas Normal Studios, Café du Cycliste & Co gibt man ein Statement ab. Zeigt Zugehörigkeit, ist Teil einer stetig wachsenden Bewegungs-Bewegung. Und macht bei etwas mit, das meine bäumeumarmende Tante gerne als „Modezirkus“ zu geißeln versucht. Nur: Sogar diese politisch hyperkorrekte Frau legt mit ihrem Outfit Zeugnis davon ab, was ihr wichtig ist. Und findet allein schon kraft ihrer Gesundheitsschuhe Anschluss und Bestätigung von Ihresgleichen, oft völlig unbekannten Menschen. Das ist gut, richtig und wichtig – weil wir Gemeinschaftswesen sind. Auch am Rad. 

 Nur: Auf die Idee, sich die Namen von Öko-Gemüse-Labels, Naturkosmetik-Ketten oder Bio-Plumspklo-Startups auf ihre Batikkleider zu sticken oder dafür auch noch zu zahlen, käme meine Tante nie. Sowas tun nur Radfahrer:innen!

Tom Rottenberg – Rotte – rennt und rollt, wenn er nicht als freier Journalist und PR-Berater arbeitet und sich Gedanken übers Rennen und Rollen, sprich Radfahren, macht.

N+1 – von Kurt Stefan
Fr | 22. Jul 2022

Wie baut man ein wirklich leichtes Rennrad, das auch großen Fahrern gerecht wird? Das keine Abstriche beim Bremsverhalten zeigt, weil Scheibenbremsen verwendet werden. Und das auch allen ästhetischen Ansprüchen gerecht wird, also ein vollintegriertes Cockpit aufweist.

Natürlich kommt es vor allem auf die Ingredienzien an. Man wähle nur die besten Lieferanten: Factor, Rotor, SRAM, ENVE, Carbon-Ti. Und deren edelste Produkte: O2 VAM-Chassis, Aldhu Carbon-Kurbel, RED AXS Bremsen und Schaltung, SES 3.4 Felgen, X-Hub SP Naben. Dann braucht es noch etwas Fingerspitzengefühl und Sorgfalt im Zusammenbau und schon steht ein wahres Leichtgewicht vor dir: Rahmengröße 58, Gewicht: 6.106g (+/-3% lt. Hersteller)
Genieß das Menü!

Rahmensatz: Flat-mount Carbon Rahmen mit 12x142mm Steckachse, interne Kabelführung nur für elektrische Schaltung, max. Reifenbreite 30mm,
Gabel: Svelte Disc Fork (flat mount) für 12x100mm Steckachse
Gewicht inkl. Gabel: 987g

Gruppe: SRAM Red AXS 2x12, Kassette 10 - 33Z  
Kurbel: ROTOR Aldhu Carbon 2x12, 48|35Z
Bremsen: SRAM Red AXS hydraulic Disc
Tretlager: CeramicSpeed

Cockpit: Integriertes Cockpit und Sattelstütze von Black Inc.

Laufräder: VONHAND mit ENVE 3.4 Carbon-Felgen und Carbon-Ti x-hub SP Naben

Reifen: ENVE SES (wahlweise tubeless oder mit Schlauch)

Sattel: gebioMized

Zu Gast im Salon – von Tom Rottenberg
Fr | 08. Jul 2022

Anlässlich unserer Gravelrunde mit Alba Optics und Orso, der Bär, hat uns Mitte Juni Federico Damiani von Enough Cycling besucht. Wir waren sehr neugierig, was jemanden antreibt, der als Radprofi lebt, aber nicht einem UCI-Team angehört. Der Non-stop von Italien zum Nordkap radelt und heuer beim Silkroad Mountain Race startet, aber nicht als verrückt gelten will. Tom Rottenberg hat ihn interviewt.

Tom: Federico, du bist ein italienischer Gravel Bike Fahrer und Mitbegründer des Enough Cycling Collective. Du lebst in Feltre in Italien, nördlich von Venedig – und du bist gerade mit deinem Fahrrad für eine Gruppenausfahrt mit VELETAGE nach Wien gefahren. Warum?

Federico: Das sind rund 550 km, ich war zwei Tage unterwegs. Natürlich hätte ich auch das Auto nehmen können – aber ich wollte das für ein Training nutzen; und mir ist Reisen per Fahrrad einfach lieber.

T: Man könnte meinen “Das ist verrückt!“. Aber für euch von „Enough“ ist das normal. Was seid ihr für eine Truppe?

F: (lachend) Aktuell sind wir neun Personen. Wir verstehen uns als Collective, nicht als Team, denn es sind so unterschiedliche Charaktere in der Gruppe – keine zwei haben dasselbe Verständnis von Radfahren. Und das ist für uns alle OK. Manche fahren Radmarathons, manche Gravel, andere Ultras – und manche gar keine Rennen. Es kommt uns darauf an, was wir empfinden, wenn wir Radfahren. Wir wollen Enough Cycling für alle zugänglich halten.

T: Wenn du mir erzählst, dass du über 500km radelst, um an einer Gruppenausfahrt teilzunehmen, fürchte ich mich ein wenig, einer Gruppe beizutreten, die sich „Enough“ nennt …

F: Versteh ich. Für uns drückt das aus, dass Radfahren „enough“ ist, um glücklich zu sein. Es macht keinen Unterschied, ob 30km am Sonntag oder in einem Stück von Italien zum Nordkap. Es kommt nur darauf an, dass du glücklich bist, wenn du Rad fährst. Das verbindet uns alle bei Enough Cycling.

T: Trotzdem hält man euch für verrückt…

F: (lachend) Das liegt wohl daran, dass einige von uns Ultradistanzen fahren. Und andere ungewöhnliche Sachen machen. Aber man sollte mit dem Wort vorsichtig sein, finde ich. Ja, wir machen verrückte Sachen, aber wir sind nicht verrückt.

T: Lass mich einen Satz aus eurem Manifesto zitieren: „Wir sind da, um Konzepte zu verbreiten, die die UCI dann in wenigen Monaten verbietet.“

F: Als wir während unserer Gründung das Manifesto entwarfen, haben wir über ein paar Sachen nachgedacht, die die UCI zwei Tage später aus dem geregelten Radsport verbannt hat. Für uns bedeutet Radfahren Freiheit. Viele der Regeln schränken die Kreativität ein. Manche machen durchaus Sinn – aber wozu muss man die Höhe der Radsocken regeln?

T: Gibt es irgendwas, das du am Radfahren nicht magst?

F: Nicht wirklich! Wenn ich radle, bin ich happy, alles löst sich auf. Letztes Jahr hab ich am „North k4000“ teilgenommen, von Italien ans Nordkap. Anfangs hab ich noch an meine e-mails gedacht, aber nach drei, vier Tagen galt nur mehr: durchkommen, radfahren, essen, schlafen, radfahren. Alles andere war weg.

Naja, vielleicht mag ich nicht, wenn Radfahrer über Radfahrer herziehen: MTBer gegen Bike-packer, Marathonfahrer über Gravel biker, usw. Am Ende fahren wir doch alle einfach Rad!

T: Ihr werdet von 3T, Alba Optics und Pas Normal Studios gesponsert. Was heißt das für euch?

F: Es geht für uns nicht vorrangig darum, Produkte kostenlos zu bekommen. Denn damit übernehmen wir ja auch Verantwortung. Uns ist wichtig, dass wir über diese Marken eine Plattform bekommen, unsere Botschaft zu verbreiten. Das zählt für uns am meisten.

T: Eine allerletzte Frage: Was ist Radfahren für dich? Sport? Fortbewegungsmittel? Lifestyle? Religion?

F: Radfahren ist mein Leben, meine Arbeit! Die meiste Zeit fahr ich Rad. Ja, es ist ein Lifestyle, eine Art zu leben. Manchmal ist es ein Wettkampf, manchmal eine Philosophie.

Radfahren lässt mich wachsen, mich selbst finden, mich kennenlernen. Als Mensch.

Das lieb ich am meisten am Radfahren!

N+1 – von Kurt Stefan
Fr | 24. Jun 2022

Back to Europe! Viele Hersteller aller möglichen Branchen reden davon. 3T redet nicht, 3T hat es umgesetzt. Nach mehrjähriger Vorbereitung wurden Anfang dieses Jahres die ersten vollständig in Italien produzierten Rahmen des Modells EXPLORO RaceMax - die Founders Edition - ausgeliefert. 100 Stück wurden produziert und durchnummeriert. No. 1 ging ins 3T Museum, die No. 17, 24 und 28 an uns. Was wir aus No. 17 gemacht haben, stellen wir euch hier vor!

Das besondere an diesem Rahmen ist nicht nur der Produktionsstandort, sondern auch die -methode. Es werden nicht vorgefertigte - prepreg - Carbonmatten in Formen gelegt und "gebacken", nein, die Carbonfasern werden vor Ort über Formen zu den einzelnen Rahmenteilen gewickelt. Es sieht ein wenig aus wie ein Teppichwebstuhl, auf dem dein Fahrrad "gestrickt" wird. Das hat den Vorteil, dass untersschiedlichste Carbonfasern in unterschiedlichsten Winkeln kombiniert werden können. Und da für jede Größe ein eigenes Muster programmiert werden muss, werden für kleinere Rahmen nicht nur die Matten kleiner zugeschnitten, sondern das Webmuster entsprechend angepasst. Überflüssig zu erwähnen, dass bei dieser zu 100% computergestützen Technik, eine Matte auch nicht aus Versehen verkehrt in die Form gelegt werden kann.

Erst wenn die Rahmenteile in die Form kommen, wird das Resin eingespritzt und dann der Rahmen "gebacken". Aus diesem Vorgang leitet sich auch der Name dieser Produktionstechnik ab: Dry Fiber - Resin Injection Carbon Technology. Bei 3T kann man noch hinzufügen: Made in Bergamo, Italy!

Ab Juli startet die Serienproduktion des EXPLORO RaceMax. Wer so ein Rad gebaut haben will, schreibt bitte Josh oder Kurt.

Rahmensatz: 3T Exploro RaceMax, dry fiber - resin injection carbon mit Fango RaxceMax Gabel mit 3T Charlie Sqaero Team Sattelstütze und Ritchey WCS Klemme
Max. Reifenbreite: 42mm (echte Reifenbreite)

Gruppe: SRAM Force eTap AXS XPLR 1x12, Kassette 10 - 44Z
Kurbel: Aldhu Carbon
Bremsen: SRAM Force AXS hydraulische Scheibenbremsen, 160mm Discs
Tretlager: Rotor

LaufräderVONHAND mit ENVE AR 3.4 Carbon-Felgen und Carbon-Ti Naben

Reifen:  Ultra Dynamico Cava Robusto 700C x 41.99

CockpitENVE AR Lenker mit ENVE Vorbau

SattelgebioMized 

N+1 – von Kurt Stefan
Fr | 10. Jun 2022

Es ist wohl der Klassiker unter den Gravel Bikes, das OPEN U.P. - Unbeaten Path - aber aktuell wie eh und je. Und - je nach Aufbau - so universell einsetzbar: Von Straßenrad über Allroad Bike bis reinem Gravelbike. Dieser fröhliche Laubfrosch - wie schön war es, den in diesem trüben Februar-, Märzwochen des heurigen Jahres zu bauen - ist dank Rene Herse-Reifen ein vollwertiges Gravelbike mit sehr guten Allroadeigenschaften. Eierlegende Wollmilchsau? Naja, nicht ganz. Wir haben noch keine Eier gefunden!

Rahmensatz: OPEN U.P. Carbon, 1040g (in M) mit
 OPEN U-Turn Gabel, optimiert für adapterlose Aufnahme der Disc Bremssättel, 390g,
Max. Reifenbreite: 40mm

Gruppe: Campagnolo EKAR 1x13, Kassette 9 - 42Z
Kurbel: Campagnolo EKAR 40Z
Bremsen: Campagnolo EKAR hydraulic Disc
Tretlager: Campagnolo EKAR Pro-Tech

LaufräderVONHAND mit ENVE G23 Carbon-Felgen und Carbon-Ti Naben

ReifenRene Herse Bon Jon 700C x 35

CockpitENVE AR Lenker mit ENVE Vorbau und Sattelstütze

SattelgebioMized 

Zu Gast im Salon – von Kurt Stefan
Fr | 27. Mai 2022

Alba Optics, die kleine feine Brillenmarke aus Mailand, schickt ihren treuesten Mitarbeiter, Orso, der Bär, um die halbe Welt, um uns von ihren Brillen zu erzählen. Und mit uns Rad zu fahren. Am 19. Juni ist er in Wien!

In Jakarta, Taipeh und Amsterdam war Orso schon, nach Paris und Girona fährt er heuer noch. Aber jetzt kommt er einmal nach Wien. Um mit uns eine Schotterrunde zu drehen. Wir reiten am Sonntag, den 19. Juni ab 09:00 Uhr durch die Prärie im Süden von Wien, über herrliche breite Schotterpisten, vorbei an blühenden Hecken, entlang kleiner Bäche und durch verträumte Orte. Ohne große Anstiege, ohne technische Herausforderung. Alle Details inklusive Anmeldung findest du in unserem Strava Club.

Da Orso selbst am Rad nicht ganz so behände ist, bringt er Freunde mit. Z.B. Luca Di Maggio and Federico Damiani von Enough Cycling. Und für jeden Teilnehmer ein kleines Goody Bag, das nach der Ausfahrt bei uns in der VELETAGE zur Abholung bereit liegt.

Und eine Bitte hat er auch an uns. Alba Optics unterstützt dieses Jahr das Projekt Africathletics, das jungen Menschen in Malawi über den Sport Bildung und eine Perspektive bieten will. Ob wir uns da nicht beteiligen könnten? Wir haben spontan zugesagt und werden für jede Alba Optics Brille, die ab sofort bis 19. Juni bei uns verkauft wird, 20€ an Africathletics spenden. Wer aktuell keine neue Brille braucht oder darüber hinaus etwas für dieses Projekt tun will - we sagt Josh so schön: "Don't be shy!"

Wir freuen uns, wenn du dich am 19. Juni dieser Schotterpartie anschließt! Übrigens: Zum Hinunterspülen des Staubs danach haben wir Bier eingekühlt.

Neu im Salon – von Kurt Stefan
Fr | 27. Mai 2022

Zuerst hat das Gravel Bike die Fahrradwelt auf den Kopf gestellt: Statt Asphaltschneider 40mm breite Reifen, statt mit Federgabel mit Rennlenker ins Gelände. Und jetzt macht die Bekleidung da weiter: Statt Lycra Jerseys bunte Hemden, lose Hosen statt Laser-cut Bibs. Jacken, mit denen man auch im Alltag nicht deplaziert wirkt. Und trotzdem ermöglicht diese Bekleidung dank der hochwertigen Materialien hochsportliches Radfahren. Vielleicht mit etwas weniger Verbissenheit und Ernsthaftigkeit. Vielleicht etwas mehr Fahret Schön als Fahret Schnell. Aber immer noch Schön Schnell!

Laureline Gravelhemd
€135,00

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€200,00

Northwoods Windshell
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Rotte rollt – von Tom Rottenberg
Fr | 13. Mai 2022

In den letzten beiden Jahren wurden wir auf die Wichtigkeit des Abstandhaltens eindrücklich hingewiesen: An der Supermarktkassa, im Wartezimmer, selbst auf der berühmten Parkbank. Im Straßenverkehr soll es jetzt bald auch klare Regeln geben, wenn sich Auto- und Fahrradfahrer begegnen: 1,5m Abstand im Ortsgebiet, 2m auf Landstraßen. Sorgt schon für Aufregung, selbst in Qualitätsmedien. Ob es daran liegt, dass so mancher Mann auch fünf Zentimeter für 30 hält?

Wenn dieser Text erscheint, bin ich gerade aus Italien zurück. Und träume von einer Woche Rennradfahren in Cesenatico. Von Fahrten nach San Marino, über einige der „Nove Colli“, Touren zwischen Cesena und Rimini. Nicht nur wegen Landschaften, Klima und Kaffee, sondern auch der Art und Weise, wie man hier am Rad respektiert und behandelt wird.

Ja eh: Auch in Italien kann man Pech haben. Auch dort wären mir seitliche Sicherheitsabstände, wie sie in Deutschland bereits im Gesetz stehen und in Österreich nun - hoffentlich - endlich kommen, mehr als recht.

Nur sind Gesetze nur so gut, wie sie kontrolliert, durchgesetzt und – Menschen sind halt so – wohl nur deshalb befolgt werden. Doch Wortmeldungen aus dem organisierten Autolobby-Bereich machen mich, höflich formuliert, skeptisch: Wenn Verkehrsjuristen und Verkehrssprecher jammern, dass durch verpflichtende 1,50 Meter das Rad-Überholen im Gegenverkehr oder im Ortsgebiet, „mühsam bis unmöglich wird, weil man da ja einen kompletten Spurwechsel machen müsste“, ist das kein Kommentar zu geplanten Gesetzesänderungen, sondern ein Geständnis. Ein Geständnis, dass und wie seit Jahrzehnten geltendes Recht ignoriert wird. Auch von der Behörde. Denn streng genommen

meldet sich jeder, der derlei öffentlich sagt, zur Führerscheinabgabe oder zumindest -nachschulung an: Für das Überholen von Radfahrern sind schon bisher „ausreichende“ Seitenabstände vorgeschrieben. Wie die zu errechnen sind, ist Stoff der Führerscheinprüfung.

Könnte es ohne diese gesetzliche Regelung gehen? Nur, wenn wie in Italien das Antippen der Hupe nicht „Schleich di’, O….“ sondern „Ich hab’ Dich gesehen - erschrick nicht,“ bedeutet. Wenn Gewissheit herrscht, dass niemand den Aschenbecher exakt vor meinem Kopf aus dem Fenster kippt, beim Überholvorgang die Scheibenwaschanlage anwirft, eine Vollbremsung mit Rechtsschwenk einleitet oder versucht, die Fliegen von der Außenkante seines rechten Rückspiels an meiner Hose abzuwischen. Wenn kein Auto quer durch eine Gruppe oder unmittelbar vor einem einzelnen Radfahrer rechts abbiegt. Wenn solche Straf-, Zorn-, Frust- oder Belehrungsmanöver, die für Radfahrer leicht tödlich enden können, aufhören, dann braucht es diese Gesetzesnovelle nicht mehr.

Aber bis dieses Verhalten aus der DNA der österreichischen Autofahrer herausgelehrt, -kontrolliert und, leider wohl auch, -gestraft sein wird, werden Jahre, Jahrzehnte, vergehen.

Und nur ein Schelm würde an dieser Stelle noch anmerken, dass das Problem vielleicht ja einfach männlich ist – weil wir fünf Zentimeter ja oft auch für 30 halten...

Tom Rottenberg – Rotte – rennt und rollt, wenn er nicht als freier Journalist und PR-Berater arbeitet und sich Gedanken übers Rennen und Rollen, sprich Radfahren, macht.

Neu im Salon – von Kurt Stefan
Fr | 13. Mai 2022

Jedes Jahr stellt Karl-Oskar Olsen, der Designer und Mit-Gründer von Pas Normal Studios, "seine" eigene Kollektion vor. Für die gibt es kein Briefing, keine Vorgabe, es gilt nur seine Inspiration. 2022 kommt sie von einem fiktiven Pro Tour-Team, nennen wir es nach dem Hauptsponsor PAS, unterstützt von den Co-Sponsoren PNS und T.K.O, ausgestattet von Pas Normal Studios. ;-)
Natürlich greift Karl auf die bewährten Styles der Mechanism-Kollektion zurück und rundet sie mit Accessories wie Socken, Kappe und Bidon ab.
Kein Replica-Kit und trotzdem Race-Style. Mit unseren Worten: Schön Schnell!

Women's T.K.O. Jersey
€200,00

Men's T.K.O. Jersey
€200,00

Men's T.K.O. Jersey
€200,00

Women's T.K.O. Bib
€270,00

Men's T.K.O. Bib
€270,00

Women's T.K.O. Bib
€270,00

N+1 – von Kurt Stefan
Fr | 29. Apr 2022

"Ich will alles! Und das sofort!" Wenn vor allem der erste Teil dieses Ausspruchs dich näher beschreibt, dann solltest du unbedingt weiterlesen.

Denn nur selten gelingt es, alle wesentlichen Eigenschaften eines Rennrads in einem Produkt abzubilden. Das Ostro VAM ist leicht, um damit Bergettapen zu gewinnen - keine 800g in Größe 54 im Flicker-Design. Das Ostro VAM ist steif und schnell um Sprintankünfte für sich zu entscheiden. Das Ostro VAM bietet dank bis zu 32mm breiten Reifen auch bei den härtesten Frühlingsklassikern keine Ausreden. Mit dem "Und das sofort!" könnte es schwieriger werden, bauen wir doch das Rad weitgehend nach deinen Wünschen VONHAND. Aber Grand Tour Sieger werden ja auch nicht über Nacht gemacht!

Rahmensatz: Flat-mount Carbon Rahmen mit 12x142mm Steckachse, Interne Kabelführung nur für elektrische Schaltung, max. Reifenbreite 32mm,
Gabel: Wide Stance Disc Fork (flat mount) für 12x100mm Steckachse

Gruppe: SRAM Red AXS 2x12, Kassette 10 - 33Z mit CeramicSpeed OSPW-System 
Kurbel: ROTOR 2InPower 2x12, 48|35Z ovale Kettenblätter
Bremsen: SRAM Red AXS hydraulic Disc
Tretlager: CeramicSpeed

Cockpit: Integrierteres Cockpit und Sattelstütze von Black Inc.

Laufräder: VONHAND mit ENVE 3.4 Carbon-Felgen und Chris King-Naben

Reifen: ENVE SES (wahlweise tubeless oder mit Schlauch)

Sattel: gebioMized

Rotte rollt – von Tom Rottenberg
Fr | 15. Apr 2022

Immer noch: Lieferkettenprobleme und Versorgungsengpässe bei Fahrrädern. Eine gute Metapher, um die Komplexität der globalen Wirtschaft aufzuzeigen.

Erinnert sich noch jemand an die „Ever Given“? Ja genau, jenes Containerschiff, das vorigen März im Suezkanal feststeckte - und dieses Nadelöhr der internationalen Handelswege sechs Tage blockierte.

Neben dem 400 Meter langen Riesenfrachter, dessen Bug sich in die Uferböschung gegraben hatte, brannte sich da noch ein Bild in das globale Bewusstsein ein: Die Ever Given zeigte, wie verletzlich Lieferketten sind. Wie rasch alles steht, wenn da ein Glied reißt, ein Rädchen blockiert. Und wie sehr das jede und jeden trifft.

Was das mit Radfahren zu tun hat? Viel. Nicht nur wegen jenes Memes, bei dem ein Pfeil auf einen Container des Frachters zeigte: „Deine Schaltgruppe ist genau hier.“ Der Witz war keiner: Die (angeblich) auf der Ever Given liegenden Schaltgruppen – und damit das Rad an sich – wurden zum Erklärmodell für globale Lieferketten.

Geschichten von Fahrradhändlern, die Kunden im Sommer 2021 auf Liefertermine im Herbst einschworen „aber: Herbst 2022“, fanden sich alsbald in vielen Medien. Klagelieder von nicht lieferbaren Ketten oder Bremsbelägen ebenso. Wer ein Kinderrad einer angesagten Marke sucht, zahlt für Gebrauchtbikes oft immer noch mehr, als für Neuware – die es eh kaum gibt.

An der Ever Given liegt das natürlich nicht: Vor der Havarie kam Corona. In den Lockdowns entdeckten Städterinnen und Städter das Fahrrad. Doch schon in den Jahren zuvor war der Bike-Boom im „Mainstream“ angekommen. Die Klimakrise und der Dauerstau im Stadtverkehr, aber auch der Mega-Hype um E-Bikes hatten das Fahrrad zum Sehnsuchtsobjekt aller Mobilität gemacht: Der Absatz stieg mancherorts um bis zu 40% an – und das über drei, vier Jahre hinweg. Der Handel tat, was logisch war: Er orderte vor Saisonbeginn mehr und mehr Räder bei den Herstellern – und die fuhren die Produktion hoch.

Dann kam Corona: Während in Europa noch mehr Menschen aufs Rad wollten, mussten in Fernost große Werke in den Lockdown. Aber auch wenn nur ein Kleinteil fehlte, stand alles. Ein Beispiel? Im Frühsommer 2020, der für Indoor-Fahrräder eigentlich toten Saison, wurden in Europa mehr „Smart Trainer“ bestellt als sonst das Jahr über weltweit. Smarttrainer haben einen Chip. Der ist meist ident mit dem bekannter Smartphone. Die wenigen Werke, die ihn produzieren, waren mit der Handychipherstellung aber bis Jahresende voll ausgelastet.

Ähnliche Geschichten lassen sich für fast alle Bike-Teile erzählen: Ketten, Bremsen, Reifen – sogar Speichen. Die Produktion war überall längst am Anschlag. Doch die Nachfrage stieg bei „normalen“ Bikes exorbitant und explodierte bei den E-Rädern – und im Lockdown fehlte dann eine Kleinigkeit – oder man musste zusperren.

Der nächste Schritt war klar: Ein seriöser Hersteller, der sieht, dass er heuer nicht liefern kann, reduziert die bespielbaren Mengen für das Folgejahr. Manche Händler konnten plötzlich nur ein Drittel ihrer Vor-Corona-Ordervolumina vorbestellen. Gleichzeitig rannten ihnen die Kunden die Bude ein …

Wieso das bei Fahrrädern so viel sichtbarer ist als – zum Beispiel – bei Autos? Weil der Automarkt bestenfalls stagniert. Der Radmarkt ist explodiert. Und viel kleinteiliger. Beispiel Marktführer Specialized versus Volkswagen. Fragen? Außerdem sind Autokäufer Wartezeiten bei Sonderwünschen schon lange gewohnt.

Wie es nun weiter geht? Es wird besser. 2023.  Wenn nicht ein neuer Lockdown oder, so wie jetzt, ein Krieg auch alle friedlichen globalen Wirtschaftszusammenhänge weiter massiv in Mitleidenschaft zieht.

Am wenigsten betroffen ist von Wartezeiten und Engpässen übrigens, wer sich für Nischenmarken aus kleinen Läden statt Mega-Ketten interessiert: Kleine Manufakturen können flexibel und kurzfristig, fast auf Zuruf, bauen und liefern. Riesenwerke mit tausenden Mitarbeitern dagegen müssen Logistik, Produktion und Ressourcenmanagement lang- und längerfristig planen. Das macht unbeweglich: Da genügt oft eine Kleinigkeit – und alles steht. Mit einem Rattenschwanz an Folgeproblemen.

So wie bei der Ever Given.

Tom Rottenberg – Rotte – rennt und rollt, wenn er nicht als freier Journalist und PR-Berater arbeitet und sich Gedanken übers Rennen und Rollen, sprich Radfahren, macht.

Salon für Radkultur | Praterstraße 13, A-1020 Wien | salon@veletage.com | www.veletage.com
Di – Fr 11:00 – 18:00 | Sa 10:00 – 17:00