Am 18. August war Jorge Larco alias FETTE bei uns zu Gast und hat erstmals seine Bilder, die Szenen aus dem Pro-Peloton zeigen, ausgestellt. Wie kam er aufs Zeichnen, warum FETTE, wie entstehen die Zeichnungen? Und vor allem: Warum zeichnet er Szenen aus dem Radsport und nicht Katzen? Tom Rottenberg wollte das und mehr wissen und hat ihn interviewt.
Tom: Du hast uns geschrieben, wie es zu deinen Rad-Zeichnungen kam. Schuld sei der Lockdown! Ist das wirklich die Geschichte?
Jorge: Ja, genau so war es! Ich bin Architekt und alle meine Projekte waren gestoppt. Der Lockdown in Ecuador war sehr streng, ich hab für einen Großteil der drei Monate meine Wohnung so gut wie nie verlassen. Ich musste irgendetwas tun, außer auf der Rolle Rad zu fahren. So begann ich wieder zu zeichnen. Erst ganz kleine Schwarz-Weiß Bilderchen. Dann hat Anna (Anm.: seine Frau) den Instagram account eingerichtet, ein Freund meinte, ich sollte doch die einprägsamsten Momente aus dem Pro-Peloton der letzten Jahre hochladen …
T: Aber wieso Radrennen? Katzenbilder bringen doch mehr Klicks (lacht)
J: Im Ernst, ich mochte Radrennen eigentlich gar nicht so. Ich fand, die stehen eher für die Schattenseiten des Radsports: extremer Wettbewerbsdruck, Aggressivität, es geht nicht ums Radfahren, sondern nur ums Gewinnen. Aber als ich mir die Rennen vermehrt ansah, erkannte ich auch andere Aspekte: Teamwork, gegenseitige Zusammenarbeit und Unterstützung auch über Teamgrenzen hinweg. Und es gibt echte Charaktere im Peloton. Diese Aspekte wollte ich mit meinen Zeichnungen in den Vordergrund stellen. Und: Katzen mag ich nicht so (lacht)
T: Du bist selbst Radfahrer. Aber du kommst nicht aus der Rennradszene?
J: Ich kam übers Fixie zum Radfahren. Quito ist keine sehr fahrradfreundliche Stadt: viel Verkehr, keine Rücksicht auf Radfahrer, und ziemlich hügelig. Aber ich liebte es, auch wegen des Zusammenhalts in der Community.
T: … und dann ist da natürlich die Frage, nach deinem Künstlernamen: „Fette“?
J: (lacht) Mein Spitzname in Ecuador war “Gordilla“ – gordo heisst fett auf spanisch. Ich war wirklich dick! Aber alle in meiner Rennradgruppe waren eher „rundlich“. Daher nannten wir uns „gordos“, „die Fetten“. Und so nannte ich mein Projekt FETTE. Auch, weil ich anonym bleiben wollte.
T: Nur zu Klarstellung: Du willst am liebsten anonym bleiben, schreibst deinen vollen Namen also nirgendwo dazu. Ok. Aber du wählst dir einen Künstlernamen, den andere Leute, ich etwa, als Beleidigung verstehen würden …
J: Ja, aber in Ecuador versteht niemand Deutsch. Also ist FETTE perfekt: kurz, einfach, und einprägsam.
T: Du zeichnest meist Szenen aus der Rennradwelt, die ikonisch sind, die sich ins Gedächtnis einprägen. Aber: Wie wählst du die aus? Etwa die, als Vingegaard wartet…
J: In dem Fall wusste ich es sofort – die Szene wird in Erinnerung bleiben: Der Führende wartet auf seinen ersten Verfolger. Verrückt! Sonst mach ich viele Screenshots von Ereignissen während des Rennens, entscheide mich danach. Und erzähle sie aus meiner Sicht.
T: Und wie Entstehen die Bilder arbeitstechnisch: Machst du die Screenshots gleich? Oder nimmst du das ganze Rennen auf und suchst danach Szenen? Und wie geht das dann weiter: Du zeichnest die Szene händisch ab - oder sind das bearbeitete TV-Bilder?
J: Das kommt ein wenig aufs Motiv an. Zum Beispiel die Szene mit Vingegaard und Pogačar. So, wie am Bild dargestellt, gab es sie nicht, es gab keinen Bildausschnitt im Fernsehen, wo man Pogačar am Boden und Vingegaard wartend sah. Ich habe sie zusammengestellt, um die Geschichte zu erzählen. Die Zeichnungen sehen minimalistisch aus, aber ich hab bis zu 20 Ebenen in Photoshop.
T: Reagieren die Profis auf deine Arbeiten? Gibt es da Feedback?
J: Oh ja! Es ist für mich oft noch surreal, was es auslöst, wenn einer von ihnen ein Bild von mir teilt. Ich glaub, der erste war Chris Froome, aber mittlerweile machen es viele. Egan Bernal, Roglič, McNulty, Pogačar, Pöstlberger, … Manche bedanken sich auch. Freunde von ihnen, Teams bestellen Bilder.
T: Memo an mich und uns alle: Wenn die Profis die Originale der Bilder haben wollen, wenn Peter Sagan und Co ihm auf IG folgen und seine Bilder teilen, gehen die Preise rauf – das heißt, ich sollte deine Arbeiten jetzt kaufen …
Im Ernst: Kannst du von deinen Bildern schon leben?
J: Nein, leider noch nicht. Aber ich hoffe, es wird einmal soweit sein.
T: Wie funktioniert das denn mit dem Verkauf? Du druckst einfach 5.000 Kopien eines Bildes aus - und wenn die weg sind, nochmal 5.000?
J: Natürlich nicht! Nein, wir machen nur 13 Kopien eines jeden Motivs und drucken es auf ein hochwertiges Papier für Kunstdrucke.
T: Danke, FETTE! Ach ja, ausgewählte Zeichnungen gibt es auch hier zu kaufen!