Wer oder was ist eigentlich Jumbo Visma? Nicht, dass das wirklich wichtig wäre. Denn so wie Jonas Vingegaard und Wout van Aert bei der Tour de France gefahren sind, brauchen sie sich wahrlich nicht von der Seite anreden lassen. Ganz abgesehen davon, dass Profisportler:innen sehr genau wissen, wer ihre Gehälter zahlt. Und auf ihren Trikots aufscheint. Aber unter manchen Umständen sollte man es wissen.
Also: Die Viererbande - zwei Männer, zwei Frauen - die ich bei Greifenstein beim Wassertanken traf und mit dieser Frage konfrontierte, sah mich ratlos an: „Woher sollen wir das wissen?“ - Naja, ihr seid in Jumbo-Visma-Outfits unterwegs. – „Ist halt ein geiles Team.“ – Eh, drum frag ich ja …
Das Gespräch endete unentschieden, ich googelte daheim: Jumbo ist der niederländische Billa, Visma ein norwegisches IT-Unternehmen. Und: Nein, natürlich muss man das nicht wissen, wenn man dem einstigen Rabobank-Team zujubelt. Aber: Deren Logos großformatig auf der Brust zu tragen, ist halt was anderes. Überspitzt formuliert: Stünde „KKK“ auf meinem Trikot, sollte ich wissen, welche Botschaft ich verbreite.
Versteh mich nicht falsch: Möge jede und jeder in dem G‘wand glücklich werden, in dem er oder sie sich wohl fühlt. Aber ein bisserl komisch ist es schon, wenn Menschen mit – höflich gesagt – Durchschnittskörpern mit – noch höflicher gesagt – Durchschnittsleistungen in Profimontur antreten. Obwohl ich sowas auch in meiner Familie hab: Mein Neffe geht ausschließlich im Chelsea-Dress kicken. Der Bub ist halt neun….
Aber eigentlich hatte ich geglaubt, dass sich das Thema Profiteam-Radtrikots und Hobby-Radler:innen überlebt hat. Ja, früher radelte halb Österreich als Elk-Haus: Es gab im Sportgeschäft halt kaum was anderes. Aber schon zu Jan-Ulrich-Zeiten musste man sich beim Bergaufsterben in Hadersfeld hin und wieder spöttisch fragen lassen, ob das EPO aus sei – vom Team Telekom sei man schließlich Anderes gewohnt. „Ach, du zahlst dafür, Litfaßsäule zu sein?“ - und weg waren sie, die Spötter, in ihren schicken, stylischen Outfits.
Ja eh: Auch mit Pas Normal Studios, Café du Cycliste & Co gibt man ein Statement ab. Zeigt Zugehörigkeit, ist Teil einer stetig wachsenden Bewegungs-Bewegung. Und macht bei etwas mit, das meine bäumeumarmende Tante gerne als „Modezirkus“ zu geißeln versucht. Nur: Sogar diese politisch hyperkorrekte Frau legt mit ihrem Outfit Zeugnis davon ab, was ihr wichtig ist. Und findet allein schon kraft ihrer Gesundheitsschuhe Anschluss und Bestätigung von Ihresgleichen, oft völlig unbekannten Menschen. Das ist gut, richtig und wichtig – weil wir Gemeinschaftswesen sind. Auch am Rad.
Nur: Auf die Idee, sich die Namen von Öko-Gemüse-Labels, Naturkosmetik-Ketten oder Bio-Plumspklo-Startups auf ihre Batikkleider zu sticken oder dafür auch noch zu zahlen, käme meine Tante nie. Sowas tun nur Radfahrer:innen!
Tom Rottenberg – Rotte – rennt und rollt, wenn er nicht als freier Journalist und PR-Berater arbeitet und sich Gedanken übers Rennen und Rollen, sprich Radfahren, macht.