Anlässlich unserer Gravelrunde mit Alba Optics und Orso, der Bär, hat uns Mitte Juni Federico Damiani von Enough Cycling besucht. Wir waren sehr neugierig, was jemanden antreibt, der als Radprofi lebt, aber nicht einem UCI-Team angehört. Der Non-stop von Italien zum Nordkap radelt und heuer beim Silkroad Mountain Race startet, aber nicht als verrückt gelten will. Tom Rottenberg hat ihn interviewt.
Tom: Federico, du bist ein italienischer Gravel Bike Fahrer und Mitbegründer des Enough Cycling Collective. Du lebst in Feltre in Italien, nördlich von Venedig – und du bist gerade mit deinem Fahrrad für eine Gruppenausfahrt mit VELETAGE nach Wien gefahren. Warum?
Federico: Das sind rund 550 km, ich war zwei Tage unterwegs. Natürlich hätte ich auch das Auto nehmen können – aber ich wollte das für ein Training nutzen; und mir ist Reisen per Fahrrad einfach lieber.
T: Man könnte meinen “Das ist verrückt!“. Aber für euch von „Enough“ ist das normal. Was seid ihr für eine Truppe?
F: (lachend) Aktuell sind wir neun Personen. Wir verstehen uns als Collective, nicht als Team, denn es sind so unterschiedliche Charaktere in der Gruppe – keine zwei haben dasselbe Verständnis von Radfahren. Und das ist für uns alle OK. Manche fahren Radmarathons, manche Gravel, andere Ultras – und manche gar keine Rennen. Es kommt uns darauf an, was wir empfinden, wenn wir Radfahren. Wir wollen Enough Cycling für alle zugänglich halten.
T: Wenn du mir erzählst, dass du über 500km radelst, um an einer Gruppenausfahrt teilzunehmen, fürchte ich mich ein wenig, einer Gruppe beizutreten, die sich „Enough“ nennt …
F: Versteh ich. Für uns drückt das aus, dass Radfahren „enough“ ist, um glücklich zu sein. Es macht keinen Unterschied, ob 30km am Sonntag oder in einem Stück von Italien zum Nordkap. Es kommt nur darauf an, dass du glücklich bist, wenn du Rad fährst. Das verbindet uns alle bei Enough Cycling.
T: Trotzdem hält man euch für verrückt…
F: (lachend) Das liegt wohl daran, dass einige von uns Ultradistanzen fahren. Und andere ungewöhnliche Sachen machen. Aber man sollte mit dem Wort vorsichtig sein, finde ich. Ja, wir machen verrückte Sachen, aber wir sind nicht verrückt.
T: Lass mich einen Satz aus eurem Manifesto zitieren: „Wir sind da, um Konzepte zu verbreiten, die die UCI dann in wenigen Monaten verbietet.“
F: Als wir während unserer Gründung das Manifesto entwarfen, haben wir über ein paar Sachen nachgedacht, die die UCI zwei Tage später aus dem geregelten Radsport verbannt hat. Für uns bedeutet Radfahren Freiheit. Viele der Regeln schränken die Kreativität ein. Manche machen durchaus Sinn – aber wozu muss man die Höhe der Radsocken regeln?
T: Gibt es irgendwas, das du am Radfahren nicht magst?
F: Nicht wirklich! Wenn ich radle, bin ich happy, alles löst sich auf. Letztes Jahr hab ich am „North k4000“ teilgenommen, von Italien ans Nordkap. Anfangs hab ich noch an meine e-mails gedacht, aber nach drei, vier Tagen galt nur mehr: durchkommen, radfahren, essen, schlafen, radfahren. Alles andere war weg.
Naja, vielleicht mag ich nicht, wenn Radfahrer über Radfahrer herziehen: MTBer gegen Bike-packer, Marathonfahrer über Gravel biker, usw. Am Ende fahren wir doch alle einfach Rad!
T: Ihr werdet von 3T, Alba Optics und Pas Normal Studios gesponsert. Was heißt das für euch?
F: Es geht für uns nicht vorrangig darum, Produkte kostenlos zu bekommen. Denn damit übernehmen wir ja auch Verantwortung. Uns ist wichtig, dass wir über diese Marken eine Plattform bekommen, unsere Botschaft zu verbreiten. Das zählt für uns am meisten.
T: Eine allerletzte Frage: Was ist Radfahren für dich? Sport? Fortbewegungsmittel? Lifestyle? Religion?
F: Radfahren ist mein Leben, meine Arbeit! Die meiste Zeit fahr ich Rad. Ja, es ist ein Lifestyle, eine Art zu leben. Manchmal ist es ein Wettkampf, manchmal eine Philosophie.
Radfahren lässt mich wachsen, mich selbst finden, mich kennenlernen. Als Mensch.
Das lieb ich am meisten am Radfahren!