Hartnäckig hält sich in manchen Kreisen der Glaube, dass Rennradfahren weh tun muss. Doch es gibt auch diesen Ansatz: Frag nicht, was du für dein Rad tun kannst, sondern was dein Rad für dich tun kann. Gutes Bike Fitting gibt die Antwort.
„Das ist halt so.“ Der Radverkäufer lächelte kalt: „Rennradfahren“, dozierte er, „tut weh. Der Schmerz gehört dazu.“ Es waren die 1980er Jahre. Ich saß – zum ersten Mal – auf einem Rennrad. Ein Puch Mistral. Wunderschön. Aber beim ersten Draufsetzen spürte ich: No way! Der Sattel. Die Schultern. Der Nacken. Das Kreuz: Aua! Dabei war ich nur durch die Fahrradabteilung gerollt: Den Sattel hatte der Verkäufer, angeblich einst Tour-Fahrer, – so er – „voll perfekt“ eingestellt: „Den Rest musst du durchstehen.“
Ich bin mit dem Mistral höchstens bis zur Schule gefahren. Eine Qual. „Das ist halt so: Schmerz gehört dazu.“ Bald ließ ich es.
Der Satz kommt auch heute noch. Er wird geglaubt. Die zentralen Wahrheiten des Universums gelten eben ewig: Die Erde ist eine Scheibe. Rennradfahren tut weh. Ich bin Optimist: Irgendwann wird sich herumsprechen, dass zumindest die zweite These falsch ist. Dass es anders geht. Ganz anders.
„Macht euch das Fahrrad untertan“ - man kann es einstellen. Anpassen. Quasi zuschneiden. Detailliert, präzise, individuell auf den Punkt. Wie ein Kleid, wie einen Anzug: Wer bei Designer X oder Super-Brand Y satte Summen hinlegt, kauft zwar „von der Stange“, lässt dann aber ändern: Beinlänge, Taille, Ärmel … ganz selbstverständlich.
„Ändern“ mit Rad heißt „Bike Fitting“. Statisch gemessene Maße und Proportionen sind da nicht einmal zweitrangig. Weil auch idente Morphologie und Parameter am Rad komplett unterschiedliche Positionen ergeben können. Und nur um die geht es: Da – „am Bock“ – wird eingerichtet, verschoben, gehoben, gesenkt. Oft entscheiden Nuancen. Es geht um Millimeter, aber viel mehr um Fingerspitzengefühl. Das des Fitters, nicht der aktuell omnipräsenten KI. Es wird justiert, evaluiert, adaptiert - und nochmal probiert. Bis es passt. Das Rad zu dir, nicht du zum Rad.
Weil sich – sogar für Profis – die errechnete perfekte Aero-Position manchmal grausam, unnatürlich und unfahrbar anfühlt. Weil Menschen unterschiedlich sind. Im Detail. Aber genau diese Details machen den Unterschied aus: Schön schnell fahren wird nur, wer gut, zufrieden und gern am Rad sitzt.
Schmerzen führen zum Gegenteil von „gut, zufrieden und gern“. Doch sie sind alles andere als notwendig. Das ist so. Und zwar wirklich.
Tom Rottenberg – Rotte – rennt und rollt, wenn er nicht als freier Journalist und PR-Berater arbeitet und sich Gedanken übers Rennen und Rollen, sprich Radfahren, macht.