Rotte rollt – von Tom Rottenberg
Do | 14. Mär 2024

„Darf ich den Helm probieren, damit ich weiß, welche Größe ich online beim Diskonter bestellen soll?“ Das habe ich auf einem Poster in der VELETAGE gelesen. Spaß oder Ernst? Paradoxe Intervention, wurde mir erklärt. Denn ja, es gebe da ein Problem. Dann habe ich mich umgehört.

Reden wir also zuerst über die anderen. Etwa B. und seinen Lauf-Shop. Dort gibt es jetzt keine Laufuhren mehr. Das, betont B., liegt aber nicht an der Qualität der „Wecker“. Im Gegenteil: Die Dinger können enorm viel. Laien behalten da kaum den Über- oder Durchblick. Also gehen sie zum Auskenner: Zu B.

Was einst ein Asset war, wurde aber zum Problem: Gute Beratung braucht Zeit. Gut eine halbe Stunde, sagt B., sei da oft nötig. Doch danach falle oft ein Satz: „Ich überleg mir, welche - und melde mich.“ Theoretisch vernünftig - aber B. kennt den Unterton. Der heißt oft „ich such’ online die billigste Quelle“. Um die „Black Week“ und andere Rabatt-Zeiten, so B., häufe sich das auffällig.

Bleiben wir bei Laufshops: Bei N. erzählt man von acht oder neun mit Video-Check probegelaufenen Schuhpaaren. Dann kommt die „überleg-noch“-Ansage. Gern gepaart mit: „Ich mach rasch ein Foto.“ Mitunter postet dann sogar wer auf Social Media, wo er den Schuh um wieviel günstiger als „im Abzockerladen“ gefunden habe. Fragt sich, wer da wen abgezockt hat.

Was also tun? B. führt keine Uhren mehr. N. schmeißt „auf Verdacht hochkant raus“. Andere hoffen nur, dass „gute Kunden“ verstehen, dass Beratung nicht aus dem Nichts kommt. Dass sie Zeit, Expertise und Einfühlungsvermögen braucht - und dass genau das Spezial-Läden mit Flair und Identität von Online-Shops ohne Beratung und Lokalmiete unterscheidet. Doch alle wissen: Wo Geiz geil ist, hat das wenig Wert.

Wieso ich darüber in der VELOZETTE schreibe, die die Stammkunden der VELETAGE lesen? Also genau die, für die Beratungsqualität und Atmosphäre sehr wohl einen Wert darstellen, wo Fairness-Apelle die Falschen treffen. Weil das Problem natürlich nicht nur Laufschuhshops betrifft. Und weil es unelegant wäre, hier in der „Wir-Armen“-Form Publikumsschelte zu betreiben. Aber dass jemand einfach zum Probieren kommt und dann „rasch ein Foto“ macht, regt mich auf. Auch wenn ich als Journalist nicht direkt davon betroffen bin. Obwohl – Ideenklau kenn ich auch – aber das ist eine andere Geschichte. Ich glaube, wir alle sollten das aktiv ansprechen, wenn uns Orte wie VELETAGE etwas wert sind.

Und ich schreibe das auch, weil mir diese paradoxe Intervention gefällt. Würde in so manche Redaktionsstube auch gut passen.

Tom Rottenberg – Rotte – rennt und rollt, wenn er nicht als freier Journalist und PR-Berater arbeitet und sich Gedanken übers Rennen und Rollen, sprich Radfahren, macht.

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