Rotte rollt – von Tom Rottenberg
Fr | 03. Nov 2023

Klar: Draußen ist schöner. Und es gibt Menschen, die Drinnen-Fahren auch bei Wäh-Wetter grundsätzlich ablehnen. Andererseits: Wenn die Alternative drinnen ausfällt, gibt es nur noch eine Option: Nicht fahren - und das geht, bitte, gar nicht.

Während ich diesen Text schreibe, sitzt mir mein Lieblingsmensch gegenüber und flucht. Laut und oft. Wenn sie besonders laut wird, hebe ich den Kopf und lächle sie an. Zuckersüß. Dann wird das Fluchen persönlich.

Bevor Sie sich um mein Beziehungsleben sorgen: keine Angst, alles gut. Aber Herzdame sitzt gerade auf dem Kickrbike und klettert in irgendeiner virtuellen Welt Bergstraßen hoch. Ich kenne niemanden, der oder die dabei nie flucht. Nur hört man das draußen nicht. Meist, weil man selbst gerade kämpft und außer dem Pochen des eigenen Herzens nur das Pfeifen der Lunge hört. Und selbst auch gotteslästerlich flucht, aber dieses Leiden trotzdem liebt. Weil Draußen fahren mit das Schönste ist, was es gibt. Jo eh.

Die Sache ist nur die: Draußen ist es schon dunkel. Es schüttet. Und zwar waagrecht. Und obwohl ich und Herzdame nicht zu den „faster“ aber angeblich doch „tougher cookies“ gehören, gibt es Situationen, in denen Zwift & Rouvy Hadersfeld, Buschberg & Co - wir sind Wiener - schlagen. 

Weil es keinen Spaß macht, im Starkregen bei jeder Böe zu beten, nicht in den Graben gedrückt zu werden. Oder auf Straßenmarkierungen und Gullys in Kurven weg zu rutschen. Vereiste Straßenstücke gib es „dank“ Klimawandel ja kaum mehr. 

Oder schon am Nachmittag trotz Christbaumbeleuchtung und Ganzkörperlametta zuerst übersehen und beim Überholen dann komplett eingesaut zu werden. Oder fürs Anziehen mehr Zeit einplanen zu müssen als für die Fahrt. 

Kurz gesagt: Obwohl draußen fahren auch bei Kälte super sein kann, sind einige Begleiterscheinungen von Herbst und Winter schlicht „Popsch“.    

Auch wenn die richtig Harten jetzt „Ausreeeedeeee!“ blöken: Bevor ich zunächst einen Rollentrainer und nun mein Kickrbike daheim hatte, gab es zum Draußen fahren nur eine Alternative. Sie lautete: Nicht fahren. 

Nichtfahren ist „Doppelpopsch“. Und es hat Folgen: Tut man es öfter und länger - was zwischen November und März durchaus drin ist, wird das Draußen fahren danach mühsamer. Und damit freudloser. Dann erschlägt das Fluchen irgendwann die Liebe. Das ist nie gut. Nicht nur am Rad.

Deshalb gibt es auf die Frage: „Drinnen oder draußen?“ genau eine Antwort: Beides. Eben wegen der Liebe.

Obwohl mir mein Lieblingsmensch gerade das Sofa als Dauerschlafplatz ankündigt, sollte ich sie weiterhin frech-entspannt angrinsen, während sie am virtuellen Col du Tourmalet 1000 reale Tode stirbt. 

Aber wir wissen beide: Im nächsten Frühjahr hängt sie mich bergauf dann dort ab. Weil sie drinnen nämlich lauter und konsequenter flucht als ich - und das belohnt das Draußen dann.

Tom Rottenberg – Rotte – rennt und rollt, wenn er nicht als freier Journalist und PR-Berater arbeitet und sich Gedanken übers Rennen und Rollen, sprich Radfahren, macht.

Salon für Radkultur | Praterstraße 13, A-1020 Wien | salon@veletage.com | www.veletage.com
Di – Fr 11:00 – 18:00 | Sa 10:00 – 17:00