Rotte rollt – von Tom Rottenberg
So | 29. Sep 2024

Einfach behaupten - und alles geht. Denn eine Million „Ich bin ein Fahrrad“-Mopeds können nicht irren. Also her mit dem „Ich bin die Rettung“-Shirt - mit der Unterzeile: „Tatütata“ 

Demnächst ist ein ernstes Gespräch fällig. Weil die Leute von der VELETAGE sich konsequent quer legen, wenn es um eine Geschäftsidee geht, mit der sich schnell sehr viel verdienen lassen würde. Außerdem könnte man mit ihr so gut wie alle Probleme lösen, mit denen sich Radfahrerinnen und Radfahrer im städtischen Alltag herumschlagen müssen.

Die Idee ist simpel. Liegt im Grunde auf der Hand. Ihre Umsetzung würde wenig kosten. Und wäre - solange man der erste am Markt ist - ein sicherer Umsatzbringer. Obwohl, da bin ich sicher, sehr rasch sehr viele auf den fahrenden Zug aufspringen würden – sei es als Kopisten oder mit eigenen Ideen. Eigenen Sprüchen. Eigenen Spruch-Shirts - oder -Taferln.

Was da drauf stehen soll? „Ich bin ein SUV“ etwa. Oder „Ich bin ein Sportwagen/Pickup/Sattelschlepper.“ Eventuell auch „Ich bin eine Ducati“ (oder irgend ein anderes Motorrad). Oder gleich mit ganzheitlichem Ansatz: „Ich bin die Rettung“. Weil: Dann darf man nämlich wirklich alles. Jeder und jede, wirklich alle, versteht das - und macht bereitwillig Platz: Der Gedanke, dass die Rettung zu spät kommt, wenn einmal die eigene Mutter oder das eigene Kind … und so weiter.

Worum es geht? Ganz einfach: Im mobilen Alltag sind Fahrräder, die ganz eindeutig keine sind, omnipräsent: Sie haben keine Pedale. Sie sind deutlich breiter und schwerer und fast immer schneller als Fahrräder. Aber dennoch am Radwegen unterwegs. Warum? Weil sie hinten eine Tafel haben: „Ich bin ein Fahrrad.“ Gern mit dem Zusatz, dass dieses „Fahrrad“ maximal 25 km/h schafft. Nur: Wenn mich so ein Ding ganz locker „putzt“, wenn ich am Rennrad (dort wo das safe ist) - laut Radcomputer - schneller unterwegs bin, ist es oft zu rasch weg, um das auch noch zu lesen.

Doch um den verletzten Stolz des Überholten geht es hier nicht. Ich denke lieber positiv. Lösungorientiert: „Ich bin ein Fahrrad“-Nichtfahrräder zeigen nämlich, wie man sich als Radfahrer:in gegen diverse Rad-Fahrverbote immunisieren kann: Durch die schlichte und einfache  Behauptung, jemand - respektive: etwas - Anderes zu sein.

Ein SUV zum Beispiel. Oder ein Sportwagen: Shirt an (oder ein kaum lesbares Schild irgendwo montiert) – und schon entfallen Radwegbenutzungspflicht, polizeiliche Speichenreflektor-Zählerei oder Kreuzugsannäherungsgeschwindigkeits-Schikanen. Ich darf ab sofort auch auf Autostraßen und Autobahnen: Ich bin jetzt ja schließlich ein Auto. Noch schlauer: „Ich bin ein Motorrad.“ Dann darf ich mich nämlich weiterhin - wie dereinst als Fahrrad - an stehenden Kolonnen vorbei schlängeln. Geil!

Aber Hoppla: Dort, wo mich ein Radweg sicher und schnell am Stau vorbei bringt, darf ich jetzt nicht mehr fahren. In manchen Ecken der Stadt ist das mittlerweile ja echt blöd. Bin ich also vielleicht doch lieber ein Fahrrad? Schwierig.

Nein gar nicht: Ich brauche nur ein Schild mit „Ich bin die Rettung“. Zusatztext „tatütata“. Dann geht alles. Wirklich alles. Auch Gehsteig, Fußgängerzone oder Parkanlage. Und auch wenn jeder sieht und weiß, dass ich - respektive mein fahrender Untersatz - nicht die Rettung bin, sondern auf einem klapprigen, rostigen und ganz offensichtlich miserabel gewarteten Uralt-Klapprad daherkomme, das ich weder sicher noch verantwortungsbewußt zu fahren im Stande oder gewillt bin: Ich komme damit durch. Ich muss es einfach nur behaupten.

Aber dafür brauche ich eben die Leute von der VELETAGE: Sie sollen „Ich bin …“-Shirts drucken - oder bei ihren Premium-Lieferanten in Auftrag geben. Und schon wäre die Fahrradwelt wieder ein bisserl schöner.

Tom Rottenberg – Rotte – rennt und rollt, wenn er nicht als freier Journalist und PR-Berater arbeitet und sich Gedanken übers Rennen und Rollen, sprich Radfahren, macht.

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