In den letzten beiden Jahren wurden wir auf die Wichtigkeit des Abstandhaltens eindrücklich hingewiesen: An der Supermarktkassa, im Wartezimmer, selbst auf der berühmten Parkbank. Im Straßenverkehr soll es jetzt bald auch klare Regeln geben, wenn sich Auto- und Fahrradfahrer begegnen: 1,5m Abstand im Ortsgebiet, 2m auf Landstraßen. Sorgt schon für Aufregung, selbst in Qualitätsmedien. Ob es daran liegt, dass so mancher Mann auch fünf Zentimeter für 30 hält?
Wenn dieser Text erscheint, bin ich gerade aus Italien zurück. Und träume von einer Woche Rennradfahren in Cesenatico. Von Fahrten nach San Marino, über einige der „Nove Colli“, Touren zwischen Cesena und Rimini. Nicht nur wegen Landschaften, Klima und Kaffee, sondern auch der Art und Weise, wie man hier am Rad respektiert und behandelt wird.
Ja eh: Auch in Italien kann man Pech haben. Auch dort wären mir seitliche Sicherheitsabstände, wie sie in Deutschland bereits im Gesetz stehen und in Österreich nun - hoffentlich - endlich kommen, mehr als recht.
Nur sind Gesetze nur so gut, wie sie kontrolliert, durchgesetzt und – Menschen sind halt so – wohl nur deshalb befolgt werden. Doch Wortmeldungen aus dem organisierten Autolobby-Bereich machen mich, höflich formuliert, skeptisch: Wenn Verkehrsjuristen und Verkehrssprecher jammern, dass durch verpflichtende 1,50 Meter das Rad-Überholen im Gegenverkehr oder im Ortsgebiet, „mühsam bis unmöglich wird, weil man da ja einen kompletten Spurwechsel machen müsste“, ist das kein Kommentar zu geplanten Gesetzesänderungen, sondern ein Geständnis. Ein Geständnis, dass und wie seit Jahrzehnten geltendes Recht ignoriert wird. Auch von der Behörde. Denn streng genommen
meldet sich jeder, der derlei öffentlich sagt, zur Führerscheinabgabe oder zumindest -nachschulung an: Für das Überholen von Radfahrern sind schon bisher „ausreichende“ Seitenabstände vorgeschrieben. Wie die zu errechnen sind, ist Stoff der Führerscheinprüfung.
Könnte es ohne diese gesetzliche Regelung gehen? Nur, wenn wie in Italien das Antippen der Hupe nicht „Schleich di’, O….“ sondern „Ich hab’ Dich gesehen - erschrick nicht,“ bedeutet. Wenn Gewissheit herrscht, dass niemand den Aschenbecher exakt vor meinem Kopf aus dem Fenster kippt, beim Überholvorgang die Scheibenwaschanlage anwirft, eine Vollbremsung mit Rechtsschwenk einleitet oder versucht, die Fliegen von der Außenkante seines rechten Rückspiels an meiner Hose abzuwischen. Wenn kein Auto quer durch eine Gruppe oder unmittelbar vor einem einzelnen Radfahrer rechts abbiegt. Wenn solche Straf-, Zorn-, Frust- oder Belehrungsmanöver, die für Radfahrer leicht tödlich enden können, aufhören, dann braucht es diese Gesetzesnovelle nicht mehr.
Aber bis dieses Verhalten aus der DNA der österreichischen Autofahrer herausgelehrt, -kontrolliert und, leider wohl auch, -gestraft sein wird, werden Jahre, Jahrzehnte, vergehen.
Und nur ein Schelm würde an dieser Stelle noch anmerken, dass das Problem vielleicht ja einfach männlich ist – weil wir fünf Zentimeter ja oft auch für 30 halten...
Tom Rottenberg – Rotte – rennt und rollt, wenn er nicht als freier Journalist und PR-Berater arbeitet und sich Gedanken übers Rennen und Rollen, sprich Radfahren, macht.